Ein Schlückchen in Ehren? – Die Haltung der Methodisten zum Alkoholgenuss hat sich gewandelt
3. April 2019
Eine Studie in den USA hat untersucht, wie evangelische Christ/innen gelegentlichen Konsum von Alkohol beurteilen. Bei den Methodist/innen zeigte sich eine deutliche Veränderung gegenüber der letzten Untersuchung vor 10 Jahren.
LifeWay Research, ein Forschungsinstitut der Southern Baptist Convention, veröffentlichte eine Studie, die zeigt, wie US-Protestant/innen den Alkoholkonsum beurteilen. 62% der Methodist/innen gaben dabei an, von Zeit zu Zeit einen Drink zu nehmen – im Vergleich zu 33% bei den Baptisten.
Insgesamt zeigt die Studie, dass die meisten Protestant/innen der Aussage zustimmen, dass die Bibel Trunkenheit anprangert. Zugleich zeigte sich, das unter den Kirchenbesucher/innen massvolles Trinken zunehmend akzeptiert. Bei einer ähnliche Umfrage im Jahr 2007 waren 29% der Befragten der Meinung, dass die Bibel Alkohol zu trinken verbiete. 2017 waren nur noch 23% dieser Überzeugung. Am markantesten hat sich die Einstellung zum Alkoholgenuss bei den Methodist/innen verändert.
Klare Haltung: Abstinenz
Methodisten des 19. und frühen 20. Jahrhunderts nahmen eine eindeutige Haltung ein, wenn zu beurteilen war, ob man gelegentlich «einen hinter die Binde kippen» dürfe: Alkoholverzicht sei ein bedeutsames Thema für Methodisten gewesen, sagte Pastor William Lawrence, ein amerikanischer Kirchenhistoriker und pensionierter Dekan der Perkins School of Theology der Southern Methodist University. «Es war ein Thema, das sowohl Fragen der persönlichen Disziplin als auch der sozialen Disziplin betraf», sagte er, «oder: persönliche Rechtschaffenheit und soziale Gerechtigkeit.»
Das methodistische Engagement für die Abstinenz erstreckte sich bis ins Weisse Haus, wo die Frau von Präsident Rutherford B. Hayes den Spitznamen «Limonaden Lucy» erhielt, weil sie bei Regierungsanlässen keinen Alkohol servierte. Lucy Hayes, First Lady von 1877 bis 1881, war eine der Gründerinnen und die erste Präsidentin der «Home Missionary Society» – eine Vorläuferin der heutigen methodistischen Frauenvereinigung «United Methodist Women».
Abstinenz und Frauenrechte
Lawrence betonte, dass Methodisten weit mehr als nur spirituelle Gründe gehabt hätten, um davon abzuraten, sich Spirituosen hinzugeben. In einer Zeit, in der Frauen kaum eine andere Möglichkeit hatten, als bei einem betrunkenen und sie missbrauchenden Ehemann zu bleiben, war die Förderung der Abstinenz eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Das zeigt zum Beispiel das Engagement von Frances Willard, der methodistischen Leiterin der «Christlichen Abstinenz Vereinigung der Frau». Unter ihrer Leitung widmete sich die Gruppe, die den Slogan «Lippen, die Alkohol berühren, werden die meinen nie berühren» populär machte, auch der Förderung der Gleichstellung der Frauen – einschliesslich des Wahlrechts. Die Gruppe half schliesslich auch, die Bischöflich Methodistische Kirche im Jahre 1880 dahin zu führen, dass sie die Verwendung von Traubensaft beim Abendmahl forderte. Und 1916 gründete die Bischöfliche Methodistische Kirche den «Ausschuss für Abstinenz, Prohibition und öffentliche Moral» – ein Vorläufer des heutigen «Ausschusses für Kirche und Gesellschaft».
Ernüchterung nach Prohibition
Diese Lobbyarbeit von Methodist/innen und anderen Protestant/innen führte in den 1920er Jahren zur Ratifizierung der 18. Änderung der US-Verfassung, die die Prohibition einführte. Doch viele Protestant/innen waren beschämt, als die 18. Änderung zu mehr Verbrechen statt zu anständigerem Leben führte. Das Verbot wurde 1933 durch die 21. Änderung aufgehoben.
Methodist/innen haben nicht sofort «auf das Wohl der 21. Änderung angestossen». Laut einer Umfrage der Methodistischen Kirche von 1959 gaben 56,8 Prozent der US-Gemeinden an, dass sie glaubten, dass Christ/innen auf alkoholische Getränke völlig verzichten sollten. In den 1960er Jahren begann sich die methodistische Einstellung zum Trinken zu verändern. Lawrence führt die Verschiebung teilweise auf das steigende Vermögen von Methodist/innen und anderen Mitgliedern der US-Mittelklasse zurück, insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg: «Menschen in methodistischen Kreisen sahen sich mit einem Anstieg des wirtschaftlichen Wohlstands konfrontiert und erreichten dabei vielleicht den Punkt, an dem sie frei verfügbares Einkommen hatten», sagte Lawrence. «Sie hatten Geld, um sich Vereinen, Bowling-Ligen und anderen Sportvereinigungen anzuschliessen, bei denen gemeinsames Trinken Teil der Kultur war», sagte er.
Vielstimmigkeit fördert Wandel
Im Jahr 1968, dem Jahr, in dem die Vereinigung von methodistischen Kirchen zur United Methodist Church stattfand, hob die neue Konfession die Anforderung auf, dass sich die Geistlichen verpflichten müssen, auf Alkohol zu verzichten. L. Dale Patterson, Leiter der United Methodist Commission on Archives and History, sagte, ein Grund, warum sich die Haltung der Methodisten dramatischer verändert habe als die der Baptisten der Südstaaten, sei, dass Methodist/innen Teil einer nationalen Kirche waren, nicht einer regionalen. «Grösser zu sein, bedeutete, dass wir mehr Stimmen zu vielen Themen hatten», sagte er. «Eines davon war Alkohol. Ich glaube, es war diese Mehrstimmigkeit, die den Wandel vorantreiben half.»
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