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(Bild: zVg)

Und plötzlich war die Tür offen

20. Mai 2019

Pleven, mit rund 100’000 Einwohnern die siebtgrösste Stadt Bulgariens, ist das wichtigste Wirtschaftszentrum im Nordwesten des Landes – und auch Sitz einer bedeutenden medizinischen Fakultät. Was bedeutet dies für die EMK-Gemeinde in dieser Stadt?

1916 wurde in Pleven eine methodistische Kirche eingeweiht – angesichts der damaligen Umstände wahrlich ein grosser Glaubensschritt. Seither war die Kirche geistliche Heimat vieler Menschen, die – nicht selten auch im gesellschaftlichen und politischen Gegenwind – Glaube, Hoffnung und Liebe lebten. Sie war auch Zeugin grosser Herausforderungen und wurde während der kommunistischen Zeit in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sogar zu einem Puppentheater umfunktioniert.

Als Tsvetan Iliev mit dem Dienst in der EMK-Gemeinde von Pleven beauftragt wurde, dachten er und seine Frau Ivaneta oft darüber nach: Wie kann die Gemeinde nicht nur in einer historischen Kirche Gottesdienste feiern, sondern auch den Menschen der Stadt dienen? Und immer mehr setzte sich eine Konkretion dieser Frage in ihren Gedanken fest: Wie können wir Studierende der medizinischen Fakultät in Pleven erreichen? Dieses Suchen war nicht Resultat einer Strategie. Vielmehr hatten die beiden den Eindruck, dass Gott selber ihnen dieses Anliegen auf ihre Herzen gelegt hatte. Allerdings gab es da ein Problem: Das bulgarische Recht verbietet Angestellten einer Religionsgemeinschaft, einfach in eine Bildungseinrichtung zu gehen und dort offen über ihren Glauben zu sprechen.

Zwei Jahre lang lebte diese Vision in ihren Herzen, ohne dass sie konkrete Schritte hätten tun können. Doch dann kam der Tag, an dem sie eine Antwort auf ihr Suchen und Fragen erhielten. Eine unbekannte Frau kontaktierte Tsvetan Iliev über die eben erst eingerichtete Facebook-Seite der EMK-Gemeinde und schrieb von ihrem Willen, ein Studium an der medizinischen Fakultät von Pleven zu beginnen. Auf den ersten Blick sah dies zwar eher nach einer unlauteren Methode zur Beschaffung persönlicher Daten aus. Allmählich wuchs bei Tsvetan Iliev jedoch die Überzeugung, dass es nicht so war wie anfänglich gedacht. Und tatsächlich: Am darauffolgenden Sonntag besuchten diese Frau und ihr Vater den Gottesdienst der Gemeinde. Seither ist Phoebe Jacobs, so ihr Name, eine der Schlüsselpersonen der Arbeit mit Studierenden der medizinischen Fakultät. Ein halbes Jahr später stellte sich mit Jemima Soladoye eine zweite Studentin an ihre Seite. Beide sind inzwischen als Bekennende Glieder in die EMK aufgenommen worden.

Seither ist vieles geschehen. Die EMK-Gemeinde hat den Studierenden einige Räume zur Verfügung gestellt, und so hat schon eine erfreulich grosse Zahl den Schritt in die Kirche gewagt. Für Proben im Hinblick auf den jährlich stattfindenden «Internationalen Tag» wird die Kirche regelmässig genutzt. An diesem Fest wird jeweils die Vielfalt an der medizinischen Fakultät gefeiert. 1‘000 Menschen aus aller Welt studieren und arbeiten dort: aus Italien, Grossbritannien, Indien, Schweden, Kanada, Japan, Nigeria, Zimbabwe und sogar den Kapverden. Auch Länder der Arabischen Halbinsel und des Mittleren Ostens sind gut vertreten: die Vereinigten Arabischen Emirate, Pakistan, Iran, Nepal und andere.

Eine «Christliche Vereinigung», bestehend aus Menschen der medizinischen Fakultät, versammelt sich regelmässig im Gottesdienstraum der EMK-Gemeinde. Alle sollen sich dort willkommen und frei fühlen – unabhängig vom jeweiligen konfessionellen Hintergrund. Die bunte Vielfalt der Menschen wird bewusst wahrgenommen, und trotzdem wird, mit Jesus Christus im Zentrum, eine Einheit angestrebt.

Am Anfang war da eine Vision. Dann schlossen sich zwei junge Frauen der EMK-Gemeinde an. Ein Jahr später nahmen bereits sieben Personen von der medizinischen Fakultät regelmässig am Gemeindeleben teil. Nochmals 12 Monate später war ihre Zahl auf 17 angewachsen. Die rund 85 Mitglieder und Freunde der EMK-Gemeinde bemühten sich, ihnen eine Heimat zu bieten. Um die Sprachhürde überspringen zu können, kauften sie eine Übersetzungsanlage. Diese ermöglicht zehn Personen, einer Simultanübersetzung in die englische Sprache zu folgen. Positiver Nebeneffekt: Ein Teenager schloss sich nach dem Kauf der Anlage der Gemeinde an und hilft seither bei der Übersetzung ins Englische mit.

Tsvetan Iliev ist dankbar für das, was bisher gewachsen ist. Und er ist zuversichtlich: «Wir wissen nicht, was die Zukunft bringen wird. Aber wir vertrauen darauf: Wenn Gott eine Tür öffnet, dann tut er dies aus einem bestimmten Grund.»

Quelle: Sekretariat des Bischofs Patrick Streiff, Zürich
Beitragsbild: zVg

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