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Getrieben vom Zwang zum Wachstum?

2. November 2019

Wird unsere Gesellschaft und die gesamte Zivilisation vor allem durch stetiges wirtschaftliches Wachstum und die Steigerung des Kapitals angetrieben? Was bedeutet dies im Blick auf Armut und den Verbrauch von Ressourcen? Die Theologische Hochschule Reutlingen, Ausbildungsstätte der Methodist/innen im deutschsprachigen Raum, lud zum Podiumgespräch, bei dem engagiert und kontrovers diskutiert wurde.

Unter dem provokativen Thema «Geld und Gott – was unser Leben antreibt» lud die Theologische Hochschule Reutlingen (D) am 22. Oktober zu einer Podiumsdiskussion in ihre Räume ein. Dr. Daniela Eberspächer-Roth, Unternehmerin und Vizepräsidentin der Industrie- und Handelskammer Reutlingen, Dr. Bodo Herzog, Professor für Volkswirtschaft an der Hochschule Reutlingen, und Prof. Dr. Ulrich Duchrow, Theologe und Sozialethiker an der Universität Heidelberg, diskutierten engagiert und kontrovers: Ist Geld omnipotent und zum «Gott» des Menschen geworden? Wie muss ein Wirtschaftssystem aussehen, das nachhaltiges, Ressourcen schonendes und somit zukunftsfähiges Leben auf dieser Welt ermöglicht?

Geld nachhaltig nutzen

Daniela Eberspächer-Roth, deren Unternehmen im vergangenen Jahr die Auszeichnung «Gipfelstürmer für Ressourceneffizienz» des Umweltministeriums Baden-Württemberg erhielt, trat für einen verantwortlichen Umgang mit Geld auf allen gesellschaftlichen Ebenen ein. Nachhaltig und verantwortungsbewusst genutzt, eröffne Geld eine Vielzahl an Möglichkeiten. Im Gegensatz zum Geld öffne Gott und der Glaube Herzen, was die persönliche Haltung des Menschen und somit sein gesellschaftliches und wirtschaftliches Agieren präge.

Grundsätzliche Alternativen suchen

Demgegenüber unterstrich Ulrich Duchrow die systemische Macht kapitalistischen Wirtschaftens, dessen Zwang zum unbegrenzten Wachstum das Leben von Mensch und Umwelt auf das Schärfste gefährde. Es seien daher grundsätzliche Alternativen zum gegenwärtigen Weltwirtschaftssystem zu entdecken. Die wirtschafts- und geldkritischen Potenziale der im Übergang zur Antike sich ausdifferenzierenden Philosophien und Religionen seien dabei von zentraler Bedeutung für die Entwicklung von neuen, Leben ermöglichenden Kulturen.

Gestaltungsräume nutzen

Eine Fokussierung auf die Systemkritik hielt Bodo Herzog dagegen für einseitig. Er forderte eine differenzierte Analyse ökonomischer und geldwirtschaftlicher Realitäten und eine grundlegende Unterscheidung von Finanz- und Wirtschaftskapitalismus. Geld sei gerade nicht omnipotent. Der Mensch und mit ihm die Politik hätten zahlreiche Gestaltungsräume, die es im Blick auf ein gerechtes und nachhaltiges Wirtschaften verantwortlich zu nutzen gelte.

Weiterer Diskurse notwendig

Gespannt verfolgten die etwa 90 Gäste die Diskussion und brachten ihre Fragen ein. Moderator Prof. Christof Voigt (Theologische Hochschule Reutlingen) verdeutlichte zum Schluss der Debatte die bleibende Differenz der Perspektiven und die notwendige Fortführung gesellschaftlicher Diskurse zur Gestaltung nachhaltiger und gerechter Ökonomie, in der gerade auch Theologie und Religionen eine verantwortliche Rolle einnehmen können und müssen.

Die Podiumsdiskussion ist als Video auf dem YouTube-Kanal der Theologischen Hochschule verfügbar.

Stephan von Twardowski, Theologische Hochschule Reutlingen
Bild: th-reutlingen.de

Theologische Hochschule Reutlingen

Die Theologische Hochschule Reutlingen (THR) ist als Einrichtung der Evangelisch-methodistischen Kirche die international ausgerichtete Studienstätte des deutschsprachigen Methodismus in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Sie ist eine staatlich anerkannte Hochschule und verleiht die international anerkannten Studienabschlüsse Bachelor of Arts (B.A.) und Master of Arts (M.A.) in Theologie sowie einen staatlich anerkannten M.A. in «Christlicher Spiritualität».

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