Volles Haus in der «Regenbogenkirche» in Wollishofen
4. Februar 2020
Die kirchliche Landschaft in der Stadt Zürich ist seit Anfang diesen Jahres um einen Farbfleck bunter geworden: Anfang Januar feierte die «Regenbogenkirche» der Methodist/innen in Wollishofen ihren ersten Gottesdienst.
5. Januar, Zürich-Wollishofen, es ist 18.32 Uhr und die Kirche ist bis auf den letzten Platz besetzt: Mehr als 70 Personen sind gekommen. Um 18.25 Uhr war noch nicht einmal die Hälfte da, und der Pfarrer tigerte etwas nervös hin und her. Jetzt aber beginnt, wofür monatelang gearbeitet wurde: Der erste Regenbogengottesdienst.
Hier muss niemand Rechenschaft ablegen
Woher all die Besucher/innen gekommen sind, wissen wir auch nicht genau – viele sind uns bekannt, aber viele haben wir noch nie gesehen: Homosexuelle, Heterosexuelle, Pärchen und Einzelne, junge Punks und alte Frauen. Niemand kann sagen, wer welche sexuelle Orientierung hat. So soll es sein: Die Regenbogenkirche ist der Ort, wo niemand Rechenschaft ablegen muss, sondern alle so sein dürfen, wie sie sind. Vor Gott, mit Gott, dank Gott.
Gemeinschaft entsteht, wo man miteinander redet
Der Gottesdienst beginnt mit Musik. «Eine neue Gemeinde entsteht, die Menschen kennen einander noch kaum», begrüsst der Pfarrer die Anwesenden. «Stellt euch doch gegenseitig kurz vor! Wo Gemeinschaft entsteht, da ist Gemeinde nicht mehr weit.» Ob es klappt? Redet man hier miteinander, oder wird nur gut schweizerisch geflüstert? Und wie geredet wird! Der Pfarrer wünschte, er hätte ein Mikrofon, damit er nach fünf Minuten einfach weitermachen könnte. Das Eis ist gebrochen, der Dampfer nimmt Fahrt auf, der Gottesdienst kommt in die Gänge.
Das Haus ist wieder einmal voll
Mit Liedern geht es weiter, und die Kirche zeigt sich von ihrer besten Seite: Die Akustik ist traumhaft, und selbst jetzt, da jeder Stuhl besetzt ist, braucht es kein Mikrofon. Endlich ist das Haus wieder einmal voll. Darauf haben viele gewartet: Das Team, die Seniorinnen von Wollishofen und auch die Kirche selbst. Die Band gibt alles, aber gegen die Singfreude der Besucher/innen kommen Klavier, Geige und Gitarre nicht an. Umso besser!
Die Gäste bleiben auch nachher noch
Die Predigt handelt von Zweifeln und dass sie zum Glauben gehören: «Mir machen nicht die Zweifel Angst, sondern eher die Leute, die nie zweifeln und immer alles glauben und wissen.» Sätze, die vielen Menschen gut tun, nachdem sie immer wieder in Frage gestellt oder sogar aus der Kirche vertrieben worden sind. «Jesus entfaltet das Leben, er engt es nicht ein.» Stille Gebete, das Anzünden einer Kerze und persönliche Losungskarten runden die Predigt ab. Es wird Zeit für den Apéro. Viele Gäste bleiben, essen Regenbogen-Gummibärchen, lernen sich kennen, plaudern, freuen sich. Es ist laut im Untergeschoss, aber lieber laut und fröhlich als leise und einsam.
Am Ende räumt das Team auf, es ist viel Arbeit, aber alle sind sich einig: Es hat sich gelohnt. Ein grossartiger Start der Regenbogenkirche, damit hätte niemand wirklich gerechnet!
Christoph Schluep
Beitragsbild: zVg Regenbogenkirche
Die Regenbogenkirche
… wendet sich explizit, aber nicht exklusiv an homosexuelle Menschen. Sie befindet sich in der EMK Zürich 2 an der Mutschellenstrasse 188, 8038 Zürich. Jeden Sonntag finden um 18.30 Uhr Gottesdienste statt, jeder Sonntag eine andere Form: Regenbogen, Taizé, Orgel. Eingeladen sind alle, die gerne mit vielen verschiedenen Menschen zusammen Gottes Liebe feiern. Webseite