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Ameise auf Blatt

SchöpfungsZeit: Grossaufnahme von den ganz Kleinen

28. August 2020

Die «big five» bringen Menschen in die Zoos: Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard. Und die Menschenaffen. Gegen Tiger und Wolf, Krokodil, Giraffe und Flusspferd ist auch nichts einzuwenden. Das sind echte Hingucker. Aber Ameise oder Heuschrecke? – Die Verantwortlichen der SchöpfungsZeit in der Schweiz stellen in diesem Jahr die ganz Kleinen in den Mittelpunkt. Sie folgen damit einer biblischen Linie.

«Geh zur Ameise! Sieh dir an, wie sie lebt! Lerne und werde weise!», lautet eine Aufforderung im Sprüchebuch (6,6) der Bibel, das allerlei Lebensweisheiten sammelt. Es lässt sich also etwas lernen bei diesem Winzling – und bei anderen. In Sprüche 30,24-28 kommen kommen zur Ameise noch drei weitere Winzlinge: Klippschliefer, Heuschrecke und Gecko. Schau hin! Lerne!

Oben oder unten?

Ameisen übersehe ich meistens. Erst wenn ich mich über sie ärgere, nehme ich sie wahr. Das geht mir mit den Kleinen öfters so. Nicht nur bei den Tieren. Als Vorbilder taugen doch sonst am ehesten die, die sich durchsetzen und die Erfolg haben. Die Stars und Sternchen, die Politikerinnen und Manager, die Influencerinnen. Die sagen uns, wie wir es machen müssen, damit wir auch so glücklich oder erfolgreich werden. Gibt es etwas zu lernen bei den Kleinen? Was richten die schon aus? – Die Sozialordnung, die Vorstellungen von «oben» und «unten», «wichtig» oder «vernachlässigbar» geraten ins Wanken, wenn wir hinschauen.

Rein oder unrein?

Klippschliefer – vergleichbar etwa mit dem Murmeltier – und Gecko gelten in der Bibel ausserdem als «unreine Tiere» (Lev 11,5.29). Das bedeutet: Sie taugen weder als Nahrung noch als Opfertiere. Unter dem Gesichtspunkt des Glaubens sind sie dadurch abgewertet, ja kritisch beurteilt. – Auch die religiöse Einteilung und Klassifizierung der Welt gerät also offenbar ins Wanken, wenn wir hinschauen.

Nützlich oder schädlich?

Die grossen Heuschreckenschwärme, die ganze Landstriche kahl fressen, sind eine Plage. Sie sind eine existenzielle und zugleich übermächtige Bedrohung (Joel 1,4). Kein Wunder, dass auch übermächtige menschliche Feinde mit ihnen verglichen werden (Ri 6,5). – Die Einteilung der Welt in «Nützlinge» und «Schädlinge», in «Freund» und «Feind» gerät ins Wanken, wenn wir hinschauen.

Das Notwendige tun

Die Ameisen sind weise, weil sie für das Lebensnotwendige sorgen in der Zeit, in der das möglich ist. Das schaffen sie, ohne «stark» zu sein nach unseren Massstäben. Das ist die Weisheit der Kleinen: Redliche Arbeit, mit der das Lebensnotwendige zusammen kommt. – Unersättlich immer mehr zu wollen, das ist dagegen eine Eigenschaft des Totenreichs (vgl. 30,16). Weise ist das nicht, sondern eben tödlich.

Das Unveränderbare annehmen

Die ausdrücklich als «wehrlos» gekennzeichneten Klippschliefer nutzen geschickt die Gegebenheiten und finden darin einen schützenden Lebensraum. Die Felsen, zwischen denen sie leben, sind zu gross, als dass sie sie bewegen könnten. Ihre Weisheit besteht darin, das, was sie nicht ändern können, doch zum eigenen Besten zu nutzen.

Die Gemeinschaft stärken

In den Heuschreckenschwärmen agieren Millionen von Tieren gemeinsam. Dieser Zusammenschluss macht sie so erfolgreich. Dabei gibt es keinen «König», keinen «Gesetzgeber», keine «Polizei», die die Einhaltung von Regeln durchsetzen muss. Die Weisheit der Heuschrecken besteht darin, dass sie sich in eine gemeinsame Ordnung einfügen, ohne dazu von aussen gezwungen zu werden.

Schlupflöcher nutzen

Als vierter Winzling wird der Gecko angeführt. Er ist alles andere als unbezwingbar – und dennoch nicht zu kontrollieren. Er schafft es bis in die Paläste. Seine Weisheit besteht darin, Schlupflöcher zu nutzen und so dahin zu kommen, wohin sonst nur Wenige gelangen.

Spuren des Wirkens Gottes entdecken

Redlich und fleissig für das Notwendige arbeiten, die Gegebenheiten so nutzen, dass sicherer Lebensraum entsteht, das Eigene zugunsten der Gemeinschaft zurückstellen, geschickt Gelegenheiten nutzen, um eigene Ziele zu erreichen – es sind sehr unterschiedliche Lehren, die sich nach Sprüche 30 für die ergeben, die hinschauen in der Schöpfung. Was sie eint ist: Das alles ist auch oder gerade denen möglich, die klein oder kraftlos sind.

Dass der Verzicht auf Macht und Herrschaftsanspruch geradezu das Wirken Gottes in dieser Welt kennzeichnet, zeigt auch die Jesusgeschichte. Dabei wurden dann auch noch ein paar andere soziale, religiöse und gesellschaftliche Grundregeln über den Haufen geworfen. Das gehört zur Dynamik, die Gottes Geist auslöst. Auch heute. Zum Beispiel, wenn wir hinschauen: Was siehst Du?

S.F.
Beitragsbild: Alexas_Fotos, pixabay.com

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