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Nachruf für den Methodisten Lothar Pöll

27. September 2020

Am 16. September ist Lothar Pöll, Superintendent i. R. der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) in Österreich nach langer Krankheit gestorben. Er war ein begnadeter Prediger der Menschenfreundlichkeit Gottes, der sich von Herzen in seiner Kirche und in der Ökumene engagiert hat.

Lothar Pöll wurde am 5. Dezember 1951 in Wien als erster Sohn von Helga und Dipl.-Ing. Manfred Pöll geboren. In Wien absolvierte er seine Schullaufbahn und beendete die Technische Gewerbeschule für Elektrotechnik (TGM) mit Abschluss als Elektroingenieur. Schon in seinen Jugendjahren war er in der Kirche aktiv.

1972 führt sein Weg nach Linz, wo er sein Gemeindepraktikum unter der Anleitung von Pastor Helmut Nausner absolvierte. Von 1973 bis 1977 folgte das Theologiestudium an der Theologischen Hochschule der EmK in Reutlingen (DE). 1974 heiratete er seine Frau Helga, die ihn nach Reutlingen begleitet hat. Die Ehe wurde mit drei gemeinsamen Kindern gesegnet.

1977 wurde Lothar Pöll zum Diakon, 1979 zum Ältesten der EmK ordiniert. In Folge war er als Pastor in den Gemeinden in Salzburg, Ried/I, Linz, Wien und St. Pölten tätig. Im Laufe seines langjährigen Dienstes war er in fast allen Gremien der EmK Österreich vertreten. Seit 1984 war er durchgehend Mitglied des Kirchenvorstands und von 1996 bis 2000 dessen Präsident. Von 2001 bis 2016 war er als Superintendent der EmK in Österreich berufen. In der Diakoniezentrum Spattstraße gGmbH war er über viele Jahre Mitglied des Kuratoriums.

Als Ratsmitglied hat er die methodistischen Kirchen Europas in der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen in Europa (GEKE) vertreten. Von 2014 bis 2016 stand er dem Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich als Vorsitzender vor.

Pop-Gottesdienste und Glaubenserneuerung

Bedingt durch die Kleinheit der Kirche war er als ein vielseitig begabter Mensch in den unterschiedlichsten Bereichen tätig. Dabei hat er die Kleinheit der EmK immer auch als Chance gesehen, gemäß dem Motto: «Small is beautiful!»

Schon in seinen Jugendjahren initiierte Lothar Pöll Pop-Gottesdienste für Jugendliche in der Wiener EmK-Gemeinde Bennogasse, bei denen es nicht nur Predigten und Musik, sondern auch Möglichkeiten zur Diskussion und zum Tanz gab. Obwohl diese neue Gottesdienstform manch älteres Gemeindemitglied irritierte, erteilte die Bezirkskonferenz Bennogasse Lothar Pöll 1971 die Predigterlaubnis. Aus den Pop-Gottesdiensten bildete sich später die ökumenische und missionarisch tätige «Maranatha Gospelgruppe», in der Lothar Pöll gemeinsam mit seiner Verlobten und späteren Ehefrau Helga aktiv war.

Nach seinem Theologiestudium wurde er zunächst mit dem Dienst in der Gemeinde Salzburg beauftragt. Weitere Aufgaben zusätzlich zum Gemeindedienst folgten alsbald: Als Jugendsekretär der EmK Österreich und Mitglied des Europäischen Methodistischen Jugendrats ermutigte er Jugendliche zur Teilnahme an europäischen Treffen und fördete die internationalen Kontakte. Als Vorsitzender der Kommission für Unterricht, Erziehung und Bildung formulierte er die Rahmenbedingungen für die Teilnahme von Kindern am Abendmahl. Durch von ihm geleitete Glaubenserneuerungsseminare haben viele Gemeindeglieder wichtige Impulse zur Vertiefung ihres Glaubens erfahren. Als Vorsitzender der Kommission für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung machte er vieles in der Konferenz zum Thema, was uns heute dringend beschäftigt. 15 Jahre war er als Sekretär der Jährlichen Konferenz Österreich tätig.

Kirchenzeitungsredakteur und Superintendent

Von 1997 bis 2009 verantwortete er als Redakteur die Kirchenzeitung «Methodist» und führte dabei nicht zuletzt die gern gelesene Rubrik «Methodistischer Humor» ein. Auf europäischer Ebene war Lothar Pöll u.a. als Sekretär der Zentralkonferenz für Mittel- und Südeuropa sowie im Europäischen Methodistischen Rat aktiv. Er war an der Entstehung des EmK-Gesangbuchs von 2002 beteiligt und hat mit der Übersetzung von Liedern u.a. von Charles Wesley bleibende Spuren hinterlassen. Lothar Pöll wurde überdies zu einem Kirchenbauer: So durfte er gleich zu Beginn seines Dienstes in Salzburg einen Neubau antreten. In Ried hat er sich für den Ausbau des Kirchensaals engagiert und in Linz den Neubau der Kirche begleitet.

2001 wurde Lothar Pöll von Bischof Heinrich Bolleter zum Superintendenten der EmK Österreich berufen und übte diese Aufgabe bis kurz vor seinem Ruhestand im Jahr 2016 aus, zusätzlich zu seinem Dienst in den Gemeinden in Wien und St. Pölten. 2017 übernahm er – obwohl schon im Ruhestand – die Aufsicht über die Gemeinde Salzburg. Auch bei dieser letzten Aufgabe hat er bleibende Spuren hinterlassen und den Umzug der Gemeinde aus der Neutorstraße in die Kirche des Diakoniezentrums in Salzburg-Aigen initiiert und begleitet.

Wirken in der GEKE, der Ökumene und im interreligiösem Dialog

Das Wirken von Pastor Lothar Pöll hat sich jedoch keineswegs auf den Bereich der eigenen Kirche beschränkt. Die Ökumene und der Dialog mit den anderen Religionen waren ihm ein Herzensanliegen. So hat Lothar Pöll die EmK Österreich von 1978 – 1986 im Ökumenischen Jugendrat und von 1984 – 1993 sowie ab 2010 im Ökumenischen Rat der Kirchen vertreten. Von 2014 bis 2016 stand er dem Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich als Vorsitzender vor. In dieser Zeit hat er die Relektüre des Sozialwortes der Kirchen (sozialwort 10+) und das daraus resultierende Projekt «Solidarische Gemeinde» vorangetrieben.

Stets war ihm das engere Zusammenrücken der Evangelischen Kirchen in Österreich ein Anliegen. Die Vereinbarung über die Teilnahme von methodistischen Schüler*innen am evangelischen Religionsunterricht aus dem Jahr 2003 wurde ebenso von ihm initiiert wie die offizielle Namensänderung der Kirche von Methodistenkirche in Evangelisch-methodistische Kirche im Jahr 2004 oder die Beteiligung methodistischer Pastor*innen an der Gesamtösterreichischen Evangelischen Pfarrer*innentagung ab 2008. Als Ratsmitglied der GEKE beteiligte er sich an der gesamteuropäischen Zusammenarbeit der evangelischen Kirchen.

Sein Engagement galt auch dem interreligiösen Dialog, insbesondere dem Christlich-Jüdischen Dialog. Lothar Pöll war u.a. Mitglied im Vorstand des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit. Er hat das Christlich-jüdische Komitee in Linz mit ins Leben gerufen. Durch die Organisation von Reisen nach Israel hat er in der eigenen Kirche den Blick auf die jüdisch-christliche Geschichte geweitet.

Feiner Sinn für Humor

Wo Lothar Pöll etwas angepackt hat, hat er es mit vollem Einsatz getan und neuen Schwung hineingebracht. Er hat sich immer wieder neuen Tätigkeiten zugewandt, weil sie erforderlich waren. Oft waren es Dinge, die von außen an ihn herangetragen wurden oder die für ihn innerlich notwendig waren. Er hat sie systematisch durchdacht, neu strukturiert und geordnet und gerne eine pointierte Meinung vertreten. Er war dabei gelassen und bescheiden, und er besaß einen feinen Sinn für Humor. Aus Titeln und Funktionen hat er sich nichts gemacht.

Sein Leben wurde mehrfach unterbrochen von schweren Krankheiten. Er hat diese Krankheiten angenommen, ohne zu murren. Und er hat sich nicht von ihnen daran hindern lassen, das Seine zu tun. Auch als ihn im Jahr 2011 eine schwere Nierenerkrankung ereilte und ihn zeitweilig zum Dialysepatienten werden ließ, hat ihn dies nicht daran gehindert, das Wort von der Liebe Gottes zu den Menschen zu bringen. Viele dieser Dienste wurden durch seine Lebenspartnerin und Ehefrau Helga möglich gemacht, die ihn bis zuletzt begleitet und ihm sogar eine Niere gespendet hat.

«Predigen ist mein Handwerk und meine Leidenschaft.»

Lothar Pöll hat sich als ein Hörender verstanden, der Gott im Wort der Bibel gesucht hat, aber auch in der Kontemplation, in der Musik oder im Malen von Ikonen. Seine vielfältigen Gaben hat er eingesetzt, um die Liebe Gottes sichtbar und hörbar werden zu lassen. Über sich selbst sagte er: «Predigen ist mein Handwerk und meine Leidenschaft.» Im Zentrum seiner Verkündigung stand dabei der den Menschen zugewandte Gott, der sich uns in Jesus Christus zu erkennen gibt. «Wie kein anderer», so heißt in einer seiner Predigten, «war Jesus ein Spiegel der unendlichen Güte Gottes.» Gottes Wort war ihm Zuspruch und Anspruch: «Es will unser Herz erreichen, und dann unseren Mund und unsere Hände». Diese Verbindung von Herz, Hand und Mund wurde in seinem Leben von stets sichtbar. Als Evangelisch-methodistische Kirche sind wir für das Leben und den Dienst von Lothar Pöll unendlich dankbar. Seine Liebenswürdigkeit und Klarheit vermissen wir sehr.

Text: EmK Österreich, Stefan Schröckenfuchs, Superintendent und Esther Handschin, Konferenzsekretärin / es
Beitragsbild: epd/Uschmann

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Traueranzeige der EmK Österreich

 

Der Verabschiedungsgottesdienst kann ab Samstag, den 3. Oktober auf der Website der EmK Österreich nachgesehen werden.

Ein Gedächtnisgottesdienst findet im Rahmen der Jährlichen Konferenz am 15. Mai 2021 um 10 Uhr in der Evangelisch-methodistischen Kirche in 1150 Wien, Sechshauserstraße 56, statt.