
Methodistische Kirchentrennungen?
22. Oktober 2020
Die Geschichte der methodistischen Bewegung ist auch eine Geschichte zahlreicher Trennungen und einiger (Wieder-)Vereinigungen. Was führte zur Trennung? Wo fanden Kirchenteile wieder zueinander? Wer musste dabei zurückstecken? Einige Streiflichter.
Im 18. Jahrhundert entstand die methodistische Bewegung in Grossbritannien. Mit der Auswanderung vieler Menschen nach Nordamerika stellte sich die Frage nach der kirchlichen Zuständigkeit. Als die Vereinigten Staaten von Amerika 1776 unabhängig wurden, verliessen viele Geistliche die USA. John Wesley bat daher die Bischöfe in England, Menschen zu ordinieren, die bereit waren, in die USA zu gehen. Das wurde abgelehnt. Also ordinierte Wesley Thomas Coke als Superintendenten. Ausserdem wurde Coke damit beauftragt, Francis Asbury als weiteren Superintendenten zu ordinieren. Zudem ordinierte Wesley zwei Männer als Älteste und sandte sie zusammen mit Coke nach Amerika.
Am 24. Dezember 1784, der Weihnachtskonferenz, wurde die Bischöfliche Methodistenkirche (Methodist Episcopal Church) gegründet. Die wesleyanische Bewegung wuchs stark, denn sie war strukturell mobil und konnte so an den sich verändernden Grenzen der Staaten «mitwachsen». Mit dem Wachstum kamen allerdings auch Spannungen und bald schon erste Trennungen.
Eigene Kirchen für «Schwarze»
1816 bildete sich die «African Methodist Episcopal Church», da die schwarzen Gemeindeglieder «als Ärgernis im Gotteshaus» gesehen wurden. Der ehemalige Sklave Richard Allen wurde von Bischof Francis Asbury ordiniert. Dieser weihte auch das erste Kirchengebäude der African Methodist Episcopal Church. Die Kirchenstruktur war fast identisch mit der Methodist Episcopal Church.
Ein paar Jahre später entstand in New York City ebenfalls eine Gruppe von schwarzen Methodisten. Diese wollte weniger starke Rechte für die Bischöfe, bildeten daher eine eigene Kirche und nannten sich «African Methodist Episcopal Zion Church». Beide Kirchen gibt es bis heute.
Die Kirche der deutschen Siedler
Ebenfalls Anfang des 19. Jahrunderts bildete sich eine Gruppe aus deutschen Siedlern in Pennsylvania und Maryland, die vom nordamerikanischen Methodismus beeindruckt waren und diesen mit Einflüssen des deutschen Pietismus verbanden. Einer der Pastoren war der deutsch-reformierte Pfarrer Philipp Wilhelm Otterbein. 1800 gründeten sie eine selbständige Kirche mit dem Namen «Vereinigte Brüder in Christo». Eine andere Gruppe konstituierte sich 1807 als «Neuformierte Methodistenkonferenz» und nannte sich ab 1816 «Evangelische Gemeinschaft». Diese beiden Kirchen verbanden sich dann 1946 zur «Evangelical United Brethren Church.»
Streitthemen und Trennungen
Zunächst gab es aber auch Trennungen. Einer der Gründe war die Rolle und die Rechte der Bischöfe. So entstand 1830 aus der Methodist Episcopal Church die «Methodist Protestant Church». Diese hatte keine auf Lebenszeit gewählte Bischöfe, sondern nur Superintendenten für eine bestimmte Amtszeit. Sie legte grossen Wert auf die gleiche Vertretung von Laien und Geistlichen in allen kirchlichen Entscheidungsgremien.
Auch die Frage rund um die Sklaverei und wie sich die Kirche dazu verhalten sollte, führte zu Spannungen. Gravierend war vor allem die grosse Spaltung an der Generalversammlung der Methodist Episcopal Church 1844: Ein Bischof «erbte» Sklaven – und wollte daher zurücktreten. Aber die Delegierten des Südens liessen das nicht zu. So entstand 1845/46 die «Methodist Episcopal Church South», in der die Sklaverei nicht grundsätzlich in Frage gestellt wurde. Nach dem amerikanischen Bürgerkrieg 1870 bildeten einige schwarzen Mitglieder der Methodist Episcopal Church South eine neue Kirche für sich, die «Christian Methodist Episcopal Church».
Eine weitere Trennungs- und Abspaltungsphase kam Ende des 19. Jahrhunderts mit der Heiligungsbewegung und unterschiedlichen theologischen Auffassungen von Heiligung. Die grösste von ihnen ist die Abspaltung der Kirche des Nazareners, die offiziell 1908 gegründet wurde.
Der Wille zur Zusammenarbeit
Trotz all dieser Trennungen und Spaltungen gab es aber oft den Willen, miteinander zu arbeiten, einander zu unterstützen und nicht gegeneinander zu arbeiten. So wurde 1881 die Ecumenical Methodist Conference mit 400 Delegierten aus 30 methodistischen Kirchen in London gegründet. Diese tagte bis 1931 alle zehn Jahre. Im Jahr 1951 wurde der Name in «World Methodist Council» geändert. Dieser Weltrat tagt seither alle fünf Jahre. Heute gehören 80 methodistische Kirchen mit mehr als 80 Mio. Mitgliedern aus 138 Ländern dazu.
Vereinigungen – mit Kompromissen
1939 vereinigten sich die Methodist Episcopal Church, die Methodist Episcopal Church South und die Methodist Protestant Church zur Methodist Church. Bei dieser Vereinigung musste ein Kompromiss sowohl in der «Frauenfrage» wie auch in der Frage der Integration der Schwarzen gefunden werden. Für die schwarzen Mitglieder wurde ein eigener Distrikt über die ganze USA gegründet, der erst 1968 aufgehoben wurde.
Die Methodist Episcopal Church hatte Frauen schon ab Mitte des 19. Jahrhunderts Predigtlizenzen als Lokalpredigerinnen oder für besondere Dienste erteilt. In der Methodist Protestant Church erhielten die Frauen 1892 die vollen Rechte der Gesamtkirche. Bei der Vereinigung 1939 wurden vor allem aus Rücksicht auf die Methodist Episcopal Church South die Rechte der Frauen stillschweigend fallengelassen. Die Frauen, die ihren Dienst weiterhin ausführen wollten, mussten entweder auf ihre Konferenzmitgliedschaft verzichten, wurden Lokalpredigerinnen oder Pastoren-Ehefrauen. 1956 wurde die volle Konferenzmitgliedschaft der Frauen in der Methodist Church beschlossen.
Auch die Vereinigten Brüder in Christo erteilten den Frauen 1889 die vollen pastoralen Rechte. 1946 vereinigten sich die Vereinigte Brüder in Christo und die Evangelische Gemeinschaft zur Evangelical United Brethren Church (in DE/CH: Evangelische Gemeinschaft). Dabei wurden ebenfalls die Rechte der Frauen fallengelassen, angeblich durch eine Übereinkunft der Bischöfe, die aber nirgendwo schriftlich festgehalten wurde.
1968 führte dann die Vereinigung mit der Methodist Church zur Gründung der United Methodist Church/Evangelisch-methodistischen Kirche.
Damaris Raymann
Beitragsbild: Die Ordination von Bischof Francis Asbury durch Bischof Thomas Coke auf der Weihnachtskonferenz zur Gründung der Methodist Episcopal Church of the United States in Baltimore, Maryland, im Winter 1784.
Thomas Coke Ruckle, Maler; A. Gilchrist Campbell, Kupferstecher, Public domain, via Wikimedia Commons
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Im nächsten Heft der «Studiengemeinschaft Geschichte der EMK» beschreibt Manfred Marquardt die weltweite Ausbreitung der methodistischen Kirchen.
Kirche und Welt 11/2020
Der Artikel erscheint in Ausgabe 11/2020 von «Kirche und Welt», der Zeitschrift für Mitglieder und Freunde der Methodistenkirche in der Schweiz. Die gesamte Ausgabe als PDF können Sie hier herunterladen.