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Pfarrer Jörg Niederer

«Wir müssen Freiräume schaffen»

19. April 2021

Wie «funktioniert» Kirche in Zeiten von Corona? – Kirche muss mutig Räume schaffen und unkonventionelle Lösungen finden. Einblicke in die Arbeit von Methodist/innen im Zürcher Stadtkreis 4 und in St. Gallen.

«Corona und die Auswirkungen haben den Kern des Christseins – nämlich die Gemeinschaft – mit voller Wucht getroffen», sagt Dinah Hess. Im Zürcher Kreis 4 hat sie zur Zeit die Vertretung in den pfarramtlichen Aufgaben der dortigen Methodistengemeinde übernommen. Die unmittelbare Gemeinschaft zu ersetzen, bleibe eine sehr grosse Herausforderung.

«kirchetroCdem»

Die methodistische Gemeinde in Zürich 4 hatte während des ersten Lockdowns unter dem Motto «kirchetroCdem» Online-Predigten und Podcasts für die Leute angeboten. «Mit Zoom-Gottesdiensten und Zoom-Kirchenkaffee ging es weiter», erzählt Dinah Hess, «aber für viele fehlte der direkte Kontakt schon».

Im kleinen Rahmen

Verschiedenen Gruppen der Zürcher Gemeinde haben sich daher darum bemüht, immer wieder Begegnungen im kleinen Rahmen zu organisieren: Spaziergänge, eine Osternestli-Aktion, bei der Gemeindemitglieder sich gegenseitig beschenken, Besuche von Alleinstehenden oder älteren Mitgliedern…

Kirche anders

Diese Erfahrung habe auch Potential, meint Dinah Hess. Kirche bestehe nicht nur als Organisation und in den organisierten Veranstaltungen, sondern ereigne sich im persönlichen, kleinen, einfachen Kontakt. «Alle einzelnen Christinnen und Christen sind Teil der Gemeinschaft und somit aufgerufen sich umeinander zu kümmern.»

Möglichst vor Ort

Zur deutschsprachigen Methodistengemeinde in St. Gallen gehören vor allem ältere Menschen. «Wenn möglich, feiern wir vor Ort Gottesdienst», sagt Pfarrer Jörg Niederer. «Wir sorgen für Sicherheit im Gottesdienst und bieten zusätzlich die Predigt per YouTube an.» Ausserdem gibt es täglich an alle Gemeindeglieder mit Mailadresse einen kurzen Blogbeitrag. «Damit rege ich an zum Nachdenken und verweise auf Dinge, die auch in dieser Zeit getan werden könnten.»

public viewing

Eine besondere Lösung gab es für Ökumenische Anlässe in St. Gallen. Die seien live in den Gottesdienstraum übertragen worden, sagt Jörg Niederer. «So konnten wir denen, die nicht privat online schauen wollten oder konnten, ein ‹Public-Gottesdienst-Viewing› bieten.» Geschätzt würden auch die methodistischen Gottesdienste auf musig24.tv, die mit Fernsehgeräten empfangen werden können.

Hauptsächlich online

Neben der deutschsprachigen Gemeinde gibt es in St. Gallen auch eine koreanische Gemeinde. Diese sei zurückhaltender, sagt Jörg Niederer. In Lockdown-Zeiten würden hier vor allem Zoom-Gottesdienste gefeiert. «Zurzeit treffen sich die Koreaner und Schweizer nicht zu gemeinsamen Gottesdiensten», sagt Jörg Niederer. Das liege freilich nicht nur an der Corona-Pandemie. Mit seinem Kollegen aus der koreanischen Gemeinde sei er aber weiterhin im Kontakt.

Einsame Abschiede

Seelsorgerliche Gespräche führt Jörg Niederer telefonisch. «Auf Wunsch treffe ich mich als Pfarrer mit Personen», sagt er. «Solche Gespräche können auch Online erfolgen.» Herausfordernd sind dagegen Trauerfeiern. «Einige Beisetzungsfeiern sind in den privaten Bereich verschoben worden», sagt Jörg Niederer. «Als Pfarrer konnte ich diese Trauerphase nur bedingt begleiten.» Sobald die Öffnungen es wieder möglich machen, soll es in der Gemeinde Gedenkgottesdienste für die Verstorbenen in dieser Coronazeit geben.

Freiräume schaffen

Für Dinah Hess war von Anfang an klar, dass sie den direkten Kontakt zu den Leuten halten will. Die Massnahmen seien klar gewesen. Daher habe sie ihre Tür immer für Menschen offen gehalten. «Als Kirchen müssen wir versuchen, Freiräume zu schaffen und uns auch um Ausnahmen bei Behörden bemühen», ist Dinah Hess überzeugt. Es gehe ihr nicht darum, die Regeln zu brechen. Doch sie will mutig Räume für die Menschen schaffen.

Sehnsucht nach Normalität

«Die Leute sehnen sich nach Gemeinschaft, Gesang im Gottesdienst, Kirchenkaffee – nach Normalität», sagt Dina Hess. «Ich auch.» Ihr Kollege aus St. Gallen ergänzt: «Vermisst wird alles, was mit Essen zu tun hat.» Dennoch seien die Leute beim Einhalten der Coronamassnahmen konsequent. «Lieber keine Öffnungen als verfrüht» sei die Meinung einer deutlichen Mehrheit, sagt er.

Die Möglichkeiten nutzen

Das nimmt Dina Hess ähnlich wahr: Die Akzeptanz für die Massnahmen sei da. Immer wieder würden auch Ideen von Leuten aus ihrer Gemeinde an sie herangetragen, was als Alternativen zu geplanten und dann abgesagten Veranstaltungen gemacht werden könne. «Das heisst, sie sind auch darauf bedacht, dass wir im Rahmen der Möglichkeiten möglichst viel Gemeinschaft schaffen sollen», sagt sie, «und das freut mich als Pfarrerin sehr.»

S.F.
Beitragsbild: Screenshot

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