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HeidelbergCement, Werk Hannover

Methodisten als kritische Aktionäre

22. Mai 2021

Erstmalig trat in Deutschland eine methodistische Gruppierung als kritischer Aktionär bei einer Hauptversammlung auf.

Bei der Hauptversammlung der HeidelbergCement AG, die Anfang Mai virtuell durchgeführt wurde, trat der international agierende Vermögensdienstleister «Wespath» als sogenannter «kritischer Aktionär» auf. Wespath verwaltet als in den Vereinigten Staaten angesiedelte internationale Pensions- und Krankenkasse der weltweiten Methodistenkirche ( United Methodist Church) Vermögenswerte von umgerechnet über 23 Milliarden Schweizer Franken.

Den Vorstand nicht entlasten

Als Investor der HeidelbergCement AG stellte Wespath im Rahmen der Hauptversammlung den Antrag, den Vorstand nicht zu entlasten. Es war das erste Mal, dass in Deutschland eine methodistische Gruppierung als kritischer Aktionär auftrat.

Klima und Menschenrechte

Mit einem Jahresumsatz von umgrechnet fast 20 Milliarden Schweizer Franken ist HeidelbergCement ein weltweit führender Hersteller von Zement, Beton und Baustoffen. Schon seit Jahren steht das Unternehmen, das seine Produkte in über fünfzig Ländern vertreibt, in der Kritik. Bei den Vorwürfen geht es um Menschenrechtsverletzungen und Klimaschutzverstösse, weshalb Wespath den Antrag auf Nicht-Entlastung einbrachte. Der nach eigenen Aussagen langfristig orientierte Investor und Treuhänder sehe darin erhebliche Risiken für das Unternehmen.

Risiken transparent machen

Wespath habe das Unternehmen über seine Bedenken informiert, aber keine zufriedenstellenden Antworten erhalten. «Wir halten es für zwingend erforderlich, dass das Unternehmen eine verbesserte Überwachung und transparente Offenlegung der Menschenrechtsrisiken in der Lieferkette des Unternehmens einführt», unterstrich Wespath die Forderungen an HeidelbergCement im Antrag auf Nicht-Entlastung.

Wespath weist auf Missstände hin

Den Antrag begründete die ihren Anlegern verpflichtete Vermögensverwaltung mit Hinweis auf konkrete Unternehmensaktivitäten, die nach Sicht der Antragsteller für den Erfolg des Unternehmens auf Dauer riskant seien. Dazu gehöre, dass der Vorstand von HeidelbergCement seine Investoren nicht ausreichend darüber informiere, ob die Geschäftspraktiken des Unternehmens mit menschenrechtlicher Sorgfaltspflicht in Einklang stünden. In seinen Vorwürfen weist Westpath ausdrücklich auf unternehmerische Aktivitäten von HeidelbergCement in Marokko, Indonesien und in den Palästinensischen Gebieten hin.

Gesetzesentwurf stärk Menschenrechte

Risiken entstünden nach Ansicht der Verantwortlichen bei Wespath nicht zuletzt durch einen Gesetzesvorschlag, über den zur Zeit in Deutschland beraten wird. Das deutsche «Lieferkettengesetz» soll Unternehmen in Deutschland dazu verpflichten, eine Sorgfaltspflicht für die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards zu übernehmen. Ein Verstoss gegen das deutsche Lieferkettengesetz wird Geldstrafen, mögliche Klagen und den Ausschluss von Ausschreibungen der öffentlichen Hand nach sich ziehen. Dies sei ein wesentliches Risiko für HeidelbergCement, heisst es in einer Meldung auf der Website von Wespath.

Vorstand wurde entlastet

Wespath fordert in seinem Antrag die Verantwortlichen bei HeidelbergCement auf, eine verbesserte Überwachung und transparente Offenlegung der Menschenrechtsrisiken in der Lieferkette des Unternehmens einzuführen. Neben Wespath protestierten auch der deutsche «Dachverband Kritische Aktionär:innen» und die Graswurzelbewegung « Extinction Rebellion Deutschland». Die Entlastung des Vorstands wurde von den Aktionären trotz der vorliegenden Anträge mit grosser Mehrheit angenommen.

Weiterhin im kritischen Dialog

Die von HeidelbergCement inzwischen vorliegenden Antworten stellen die Anlageverantwortlichen von Wespath nicht zufrieden. Der kritische Dialog, so verlautet aus Wespath-nahen Kreisen, solle fortgesetzt werden. Am Tag nach der Hauptversammlung gab der Kurs der HeidelbergCement-Aktie um vier Prozentpunkte nach.

Paul Gräsle, emk.de
Beitragsbild: Zementwerk von HeidelbergCement bei Hannover. (Photo: Gerd Fahrenhorst, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons)

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Der Autor

Paul Gräsle ist Laienprediger der Methodistenkirche in Deutschland und wohnt in Leingarten in der Nähe von Heilbronn. Er ist für Gerechtigkeitsthemen, Friedens- und Klimafragen engagiert. In besonderer Weise setzt er sich für die Thematik der Geldanlage unter ethischen Gesichtspunkten ein.

Wespath Benefits and Investments

«Wespath» ist eine Einrichtung der weltweiten Methodistenkirche (UMC) und nach dem Recht der Vereinigten Staaten eine gemeinnützige Körperschaft. In ihrer weltweiten Organisationsform hat die Methodistenkirche eine Kommission für Altersvorsorge und Gesundheitsdienstleistungen, die besonders für die Teile und Regionen der Kirche wichtig ist, in denen Altersvorsorge und Gesundheitsdienstleistungen nicht in einem sozialstaatlichen Sinne ausgebaut sind wie dies in Deutschland oder Europa vielerorts der Fall ist. «Wespath Benefits and Investments» ist als Pensionskasse und Krankenversicherung der geschäftliche Zweig dieser methodistischen Kommission.

Die Einrichtung verwaltet mittlerweile Vermögenswerte von über 26 Milliarden US-Dollar (rund 23.4 Milliarden Schweizer Franken) von über 100 000 Beteiligten und über hundert mit der Methodistenkirche verbundenen Institutionen. Über Tochtergesellschaften und verbundene Unternehmen erbringt Wespath Verwaltungs- und Anlagedienstleistungen für Versorgungspläne von Plansponsoren, die von der weltweiten Methodistenkirche kontrolliert werden oder mit ihr verbunden sind. Ausserdem erbringt Wespath Verwaltungs- und Anlagedienstleistungen für institutionelle Anleger, die aus­schliesslich für religiöse, wohltätige oder karitative Zwecke organisiert und betrieben werden, die mit der Methodistenkirche in Verbindung stehen. Seit über hundert Jahren agiert Wespath auf Basis christlicher Gesinnung nach ethischen Werten und Nachhaltigkeitskriterien.