Bezirk
Iris Bullinger (l.) und Claudia Haslebacher

«Konferieren ist Teil unseres Kircheseins!»

18. Juni 2021

In einem weiteren thematischen Schwerpunkt setzten sich die Delegierten der methodistischen Jährlichen Konferenz (Synode) Schweiz-Frankreich-Nordafrika am Freitagnachmittag mit dem «Szenario Kalaidoskop» auseinander.

Am Donnerstag waren die Delegierten in einem ersten Themenschwerpunkt hineingenommen worden in den Arbeitsprozess der Spurgruppe «Zukunft Methodistenkirche», die das «Szenario Kaleidoskop» ausgearbeitet hatte. Dieses soll den Methodist:innen ermöglichen, trotz unterschiedlicher Haltungen zu Fragen menschlicher Sexualität weiterhin gemeinsam Kirche zu sein. Dafür sieht es ein respektvolles Miteinander unterschiedlicher Positionen in einer gemeinsamen Kirche vor.

Ziel ist ein gemeinsamer Weg

Am Freitagnachmittag dann diskutierten die Delegierten den Vorschlag inhaltlich. Distriktsvorsteherin Claudia Haslebacher leitete zum Gespräch an. Noch einmal betonte sie, dass es oberstes Ziel sei, möglichst viele Gemeinden zu einem gemeinsamen Weg zu bewegen.

Sterbehilfe für die Kirche?

Im Plenum nahmen in Thun und via Zoom verschiedene Delegierte Stellung zu dem Vorschlag. In einem ersten Votum äusserte Heiner Studer die Vermutung, dass die Entwicklung zu zwei Kirchenteilen passive Sterbehilfe bedeute. Die Lebensfähigkeit der Methodistenkirche sei dann wohl in Frage gestellt. Im «Szenario Kaleidoskop» sieht er eine liberale Ausrichtung. Ähnlich äusserte sich Christian Minder. Auch er merkte an, dass die Streichung der diskriminierenden Artikel zur Homosexualität aus der Kirchenordnung auch zu einer Liberalisierung führen werde.

Grosse Verwerfungen weltweit

Bischof Patrick Streiff skizzierte zum besseren Verständnis der Rahmenbedingungen noch einmal die Prozesse in der weltweiten Methodistenkirche (UMC). Die Generalkonferenz 2019 hat einen «traditionellen Plan» angenommen, bei dem alle nicht gleichdenkenden Methodist:innen und Konferenzen ausgeschlossen würden. Das habe grosse Verwerfungen innerhalb der UMC aus ausgelöst und zu einer Arbeitsgruppe geführt, bestehend aus Personen aus allen Konfliktlagern. Diese Gruppe hat unter Anleitung eines externen Mediators einen Kompromiss ausgearbeitet.

Ein Vorschlag zur Güte

Das so entstandene «Protokoll Versöhnung und Gnade durch Trennung» sieht vor, dass die weltweite Methodistenkirche als UMC bestehen bleibt, sich in Fragen der Homosexualität aber öffnet. Kirchenregionen, Kirchgemeinden und Personen, die das nicht wollen, könnten auf versöhnliche Weise und mit den kirchlichen Vermögensanteilen aus der Methodistenkirche austreten. Das werde wahrscheinlich zu einer neuen konservativen, methodistischen Kirche führen.

Ein Paradigmenwechsel

Verschiedene weitere Votant:innen ergriffen ebenfalls das Wort. Pfarrer Antoine Da Silva etwa sagte, er sehe einen Paradigmenwechsel bei der Kirche als Leib Christi. «Als Christen sind wir verbunden mit Christus und verantwortlich für die Kirche», sagte er. Die Anerkennung von LGBTQ-Leuten würde bedeuten, dass die traditionelle Linie verlassen würde. Das sei gefährlich und öffne das Tor für fremde Geister. Er könne es sich nicht vorstellen, lesbische oder homosexuelle Paare zu trauen. Das wäre gegen alles, was er glaube, sagte Da Silva.

Spaltung auf anderer Ebene?

Janick Buser berichtete, dass das Kaleidoskop vom Jugendrat, der sich für die Belange der jungen Methodist:innen einsetzt, einstimmig unterstützt werde. Persönlich sei er für die Öffnung gegenüber Personen, die homosexuell empfinden, und möchte die Einheit der schweizerischen Methodistenkirche bewahren. Zugleich fragt er sich, ob die Spaltung nicht auf die Ebene der Gemeinden und Einzelpersonen verschoben werde.

Offen bleiben

Eine Sorge und eine Hoffnung teilte Michael Bünger mit den Delegierten. Die Sorge, dass sich die Kirche nicht verändert. Und die Hoffnung, dass sich die Kirche laufend ändert. Beispielhaft nannte er strittige Themen der Vergangenheit. Er machte sich dafür stark, dass die Kirche offen bleibt für alle Menschen.

Intelligent reagieren

Ähnlich äusserte sich Pfarrer Théo Paka. Er unterstütze das Szenario Kaleidoskop. «Christus ist nicht nur für mich gestorben, er ist auch für den Freund, den Bruder, die Schwester gestorben», sagte er. An der Generalkonferenz erlebte er den Ausschluss vieler Menschen, und fragte sich: «Wir haben intelligent auf die verschiedenen Taufverständnisse reagiert. Warum geht das nicht auch bei dieser Frage?»

Verschiedene Meinungen zulassen

Auch Etienne George stellte die Frage, warum man nicht mehr mit verschiedenen Meinungen in einer Kirche sein kann. Und er beantwortet diese auch gleich selbst: «Weil man heute eine Kirche ist, in der man nur noch eine Haltung zulässt».

Im Gespräch miteinander bleiben

Mehrere Votant:innen sprachen den Wunsch aus, dass das Gespräch nicht vorzeitig abgebrochen werde. So zeigte sich Pfarrer Johann Wäfler besorgt wegen der Extrempositionen auf beiden Seiten. Für die einen scheine das Szenario beschlossen, die andern fühlten sich abgelehnt. Wichtig sei, im Gespräch zu bleiben, betonte er. Ebenso sprach Esther Wetzel «die grosse Bitte» aus, trotz Angst und Sorgen im Gespräch zu bleiben. Durch Gespräche sei sie selbst als Mitglied der Spurgruppe weitergekommen. Auch Pfarrer Markus Bach sagte, er möchte in einer Kirche bleiben, aus der er nicht wegen einer abweichender Meinung hinausdrängt werde. «Das Konferieren ist Teil unseres Kircheseins.» Darum unterstützte er das Szenario Kaleidoskop. Stefan Ilg bat in seinem Votum, dieses ungeliebte Thema weiter zu behandeln, und nicht aus Diskussionsmüdigkeit oder anderen Gründen den Dialog abzubrechen. «Warten kann sich lohnen», sagte er. Das habe er persönlich mit dieser Kirche so erlebt.

Wichtigeres

Dagegen wünschte sich Pfarrerin Annemarie Studer wieder Diskussionen und Gespräche zu anderen brennden Themen, etwa zur Situation von Flüchtlingen.

Es bleibt genügend Zeit

Abschliessend beschrieb Pfarrerin Iris Bullinger den weiteren Weg bis 2023 und betonte: «Wir haben Zeit, in den Gemeinden und Bezirken aufeinander zu hören, miteinander zu reden, einen Weg zu gehen.» Der Bereich Gemeindeentwicklung unterstütze diese Gespräche mit Hilfsmitteln und personell.

Die Texte im Zusammenhang mit dem Szenario Kaleidoskop sind aktuell nur Mitgliedern der Jährlichen Konferenz zugänglich. Ab September sollen sie auch für die Gemeindeglieder verfügbar sein.

Jörg Niederer / S.F.
Beitragsbild: Iris Bullinger (l.) und Claudia Haslebacher leiteten den Themenblock. (Foto: EMK Schweiz, S.F.)

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