Reise ins Ungewisse
24. September 2021
Migration verändert die kirchliche Arbeit auch in den methodistischen Kirchen. Dazu fand im August im deutschen Stuttgart eine internationale Fortbildung für multikulturelle Gemeindearbeit statt.
Während der letzten Jahre führten Migrationsbewegungen über Ländergrenzen hinweg zu einem tiefgreifenden, mancherorts deutlich sichtbaren demografischen Wandel. In ganz Europa sind zahlreiche Städte und Kommunen betroffen vom Zustrom asylsuchender Kriegsopfer, arbeitssuchender Wirtschaftsmigranten und anderer, die sich zu einer Reise ins Ungewisse aufmachten.
Fortbildung, Unterstützung und Austausch
Geplant oder zufällig stehen Kirchgemeinden häufig an vorderster Front, wenn Städte und Kommunen mit Migration konfrontiert sind. Manche öffnen ihre Türen und begrüßen Neuankömmlinge mit Begeisterung. Andere haben Mühe damit, Menschen zu integrieren, die auf der Reise ins Ungewisse in ihrer Nähe gelandet sind.
Mit dieser Herausforderung beschäftigten sich Ende August elf Pfarrpersonen aus ganz Europa in Stuttgart bei einer Fortbildungswoche. Vor zwei Jahren fand dieses Schulungsprogramms für multikulturelle Gemeindearbeit (Institute for Multicultural Ministry) zum ersten Mal statt. Es wurde vom internationalen Missionswerks der Evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) zusammen mit kirchlichen Partnern in Europa aus der Taufe gehoben. Es dient dazu, Personen in der Leitung internationaler, multikultureller Gemeinden anzuleiten, auszubilden und zu unterstützen. Das einwöchige Programm bot Vorträge über Theologie und Migration, Arbeitsgruppen zu Praxisthemen, Übungen zur Feier multikultureller Gottesdienste sowie Gruppendiskussionen und Zeit zur Gemeinschaft und zum Austausch.
Wie die von ihnen geleiteten Gemeinden repräsentierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Schulung eine große Vielfalt. Unter ihnen befand sich ein junger Mann aus Ghana, der eine englischsprachige Arbeit im finnischen Helsinki leitet. Weiterhin ein US-Amerikaner, der eine dänischsprachige Gemeinde in Norddänemark leitet. Auch die Südafrikanerin Marietjie Odendaal, Pfarrerin der internationalen Gemeinde in Kleinbasel, nahm teil.
Internationales Team
Ein Mitarbeiterteam aus Vortragsrednern und Gruppenleitern leitete die Fortbildung. Sie kommen von theologischen Ausbildungsstätten der EMK und ökumenischer Partner aus ganz Europa und den Vereinigten Staaten. Hauptredner war Robert Hunt, Direktor des Lehrstuhls für Weltweite theologische Bildung an der Perkins School of Theology in Dallas im US-Bundesstaat Texas. In einem zweiteiligen Vortrag ging es um die «Missio Dei». Mit diesem Begriff der Missionstheologie wird deutlich gemacht, dass Mission im Auftrag Gottes geschieht. Sie ist «Mission Gottes» und nicht eine Veranstaltung der Kirche. Hunt forderte die Teilnehmer dazu auf, Gottes Mission unter dem Blickwinkel der jeweiligen Situation zu betrachten, in denen Gemeinden direkt von Migration betroffen sind.
Um Fragen der Seelsorge und Konfliktlösung in multikulturellen Gemeinden ging es den beiden Referenten von der Theologischen Hochschule Reutlingen. Stephan von Twardowski, Professor für Systematische Theologie, und Gabriele Mayer, die Lehrbeauftragte für Interkulturelle Kommunikation, stellten neue ethische Ansätze für die kirchliche Arbeit vor.
Ein Vortrag von Knut Refsdal beschäftigte sich mit den Grundlagen biblischer Auslegung und wie die Bibel persönlich gelesen wird. Der Pfarrer und Bezirkssuperintendent der EMK in Norwegen beschrieb die komplexe Auslegung der Heiligen Schrift in einem multikulturellen Kontext.
Gute Balance zwischen Theorie und Praxis
Rückmeldungen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Fortbildung bringen zum Ausdruck, wie hilfreich die Schulung empfunden wurde. Carin Hemmati, Pastorin einer internationalen ökumenischen Gemeinde in Schweden, erklärte, dass sie Hilfsmittel für verschiedene Bereiche ihrer Arbeit an die Hand bekam. Vom gemeinsamen Bibellesen mit Personen aus verschiedenen Kulturen bis hin zur Bewältigung von Problemen und zur Konfliktlösung, die in interkulturellen Begegnungen und aufgrund unterschiedlicher Glaubensüberzeugungen entstünden.
Als sehr gut wurde die Balance zwischen wissenschaftlichen Vorlesungen, intensiven Diskussionen, praktischen Impulsen und gelebter Gemeinschaft empfunden. «Mir hat die Mischung aus Vorlesungen und der Möglichkeit zur Mitwirkung gefallen», erklärte ein Teilnehmer. Besonders habe ihm das gemeinsame Bibelstudium gefallen. «Ich habe es wirklich geschätzt, mich mit dem Thema durch das Lesen der Heiligen Schrift zu beschäftigen und zu entdecken, wie wir einzelne Passagen jeweils verstehen.»
Auch die Referenten betonten, dass sie aus den Begegnungen wichtige Impulse mitnehmen: «Mit Pfarrpersonen, die internationale Gemeinden leiten, eine Woche zu verbringen, war eine großartige Erfahrung», beschrieb Robert Hunt die gemeinsame Zeit. Die Informationen und das Feedback aus der Gruppe seien für ihn sehr hilfreich. Besonders dafür, «den Kontext und die Herausforderungen, mit denen unsere Kirche heute konfrontiert ist, besser zu verstehen».
Text: John Calhoun, Übersetzung aus dem Englischen und Bearbeitung von Klaus Ulrich Ruof , emk.de
Beitragsbild: Üllas Tankler