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«Diakonissen- und Krankenhaus Bethanien, Zürich»

Methodistische Gemäuer erzählen Geschichte(n)

14. Oktober 2021

Was haben eine mittelalterliche Burg, ein Ritterhof und eine Ruine gemeinsam? Sie alle wurden zu einer bestimmten Zeit als gottesdienstliche Gebäude für die methodistische Bewegung im deutschsprachigen Europa gebraucht. Einige stehen noch heute und haben einen anderen Gebäudezweck. Andere stehen da als Mahn- und Erinnerungsmale.

Über die Entstehung und Verbreitung der methodistischen Bewegung in Europa gibt es einige Bücher. Während viele von einflussreichen Menschen und Gemeinschaften sprechen, hat 🔗das von Michael Wetzel herausgegebene Buch einen etwas anderen Ansatz. Es gibt Einblicke in die methodistische Bewegung in Deutschland, Österreich und der Schweiz anhand von Kirchenbauten und Gebäuden und dem, was diese zur Geschichte der methodistischen Kirche beitragen können.

Die grossen Linien

Dr. Michael Wetzel ist Leiter der Studiengemeinschaft für die Geschichte der Evangelisch-methodistischen Kirche. Seine Einleitung führt die groben Züge der methodistischen Bewegung vor Augen. Von den insgesamt 82 Beiträgen von 40 Autor:innen sind elf Beiträge über Kirchen und Werke in der Schweiz und vier Beiträge über Österreich.

Häuser und Villen

Es ist erstaunlich, wie vielfältig die Gebäude in der methodistischen Bewegung genutzt wurden. Das Buch erzählt von «normalen» Häusern, in denen kleine Versammlungen anfingen, über beeindruckende Villen bis zu einfachen und architektonisch beeindruckenden Kirchenbauten. Sehr viele unterschiedliche Gebäude wurden genutzt, um das gleiche Ziel zu erreichen: Dass Menschen die gute Botschaft von Jesus Christus hörten und zu Nachfolger:innen von ihm würden.

Nicht nur Kirchen

Anhand der Gebäude wird auch deutlich, dass es der methodistischen Bewegung nicht nur um Kirchengründungen ging, sondern das diakonische Engagement und Bildung anhand von Sonntagsschulen und Verlagshäusern und Ausbildungsstätten ebenfalls eine wichtige Rolle spielten. Auch die Auf- und Abwärtswbewegungen, von grosser Zunahme von Gemeindegliedern über Mitgliederschwund und, was das für die Kirchgemeinden und ihre Gebäude bedeutete, handelt dieses Buch.

Schwerpunkt Diakonie

Bei den Beiträgen für die Schweiz wurde der Schwerpunkt auf die diakonischen Einrichtungen von Bethesda und Bethanien gelegt, die anfangs immer noch stark mit einer derVorgängerkirchen der heutigen Methodistenkirche (Evangelische Gemeinschaft oder Bischöfliche Methodistenkirche) verbunden waren ebenso wie die ersten Gebäude der jeweiligen Kirchen. Ein besonderer Beitrag behandelt die methodistische Gemeinde in Rheineck. Geschichte und Gebäude der Gemeinde spielen allerdings eine kleine Rolle. Der Schwerpunkt liegt auf der 🔗Biographie von Carl Lutz, der als Schweizer Vizekonsul in Ungarn zwischen 1942-1945 zehntausenden Juden das Leben rettete durch sogenannte Schutzbriefe.

Bewegte Geschichte

Die Stärke dieses Buches ist es, dass dieser Rückblick in die Geschichte den Leser:innen Mut macht. indem es wieder neu aufzeigt, dass diese Bewegung sowohl Krieg wie auch Kommunismus überstanden hat. Man liest sowohl von grösseren wie auch von kleinen, aber aktiven Gemeinden und den Menschen, die sich dort gemeinsam einsetzten. Die methodistische Bewegung hatte schon mehrmals eine unsichere Zukunft. Nicht alle Gemeinden und Bezirke haben überlebt. Aber wo methodistische Gemeinden überlebten, gab es immer wieder die Möglichkeit, dass Neues entstehen und aufblühen konnte.

Alte und neue Missionsprojekte

Ein weitere Stärke dieses Buches ist es, den Leser:innen bewusst zu machen, wieviel Hilfe und Geld die Gemeinden in allen drei Ländern aus dem Ausland bekamen, um die kirchlichen Werke zu gründen. Die methodistischen Kirchen in Deutschland, Österreich und der Schweiz alle waren einmal ein «missionarisches Projekt». und Heute unterstützen viele Methodist:innen «missionarische Projekte» in anderen Ländern…

Kritische Rückfragen

Das Lesen regt auch kritischen Fragen an: Wollen Methodist:innen tatsächlich alles weitertragen, als Erinnerung oder als «Treue» zu den Anfängen? Oder können sie aus der Geschichte lernen und trotzdem neue Wege und neue Schwerpunkte setzen? Wie sieht ein angemessener Umgang mit den nicht so schönen Aspekten dieser Kirche aus, die zur Geschichte dazugehören, aber nicht unkritisch stehen bleiben sollten?

So ging es mir mit dem Beitrag zur «Dr. F.H. Otto Melle-Gedächtniskirche». Otto Melle war der erste deutsche Bischof der Methodistenkirche in Deutschland und hat daher einen speziellen Platz in der Geschichte. Seine Nähe zum Nationalsozialismus lässt mich allerdings ratlos zurück, warum wir eine Kirche haben, die nach einem Bischof benannt wurde, der zwar Gutes getan hat, aber nach dem man m.E. nicht ohne Kritik ein kirchliches Gebäude benennen sollte. Anderen Leser:innen werden sicher andere Fragen kommen.

Fazit

Die Geschichte der methodistischen Bewegung ist sehr vielfältig und verlief noch nie linear. In unseren Breitengraden haben wir, wie in vielen Ländern der Welt, Krieg und Zerstörung erfahren, aber auch hoffnungsvolle Aufbrüche, aber auch Erfolge und darin immer wieder Gottes Wirken und sein Durchtragen erfahren dürfen. Wer sich das neu vor Augen malen will, der oder dem sei die Lektüre dieses Buches herzlich empfohlen.

Damaris Raymann
Beitragsbild: «Diakonissen- und Krankenhaus Bethanien, Zürich» (aus: E.Grob, Die Bischöfliche Methodistenkirche in der Schweiz, Zürich 1931)

Buchcover: Historische Stätten des Methodismus

Angaben zum Buch

Wetzel, Michael (Hrsg.), Historische Stätten des Methodismus in Deutschland, Österreich und der Schweiz,
Leipzig 2021, 266 Seiten, gebunden
ISBN 978-3-374-06852-4

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