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Bischof Patrick Streif (ganz rechts) leitete die Sitzung in Budapest

Offene Gesprächsatmosphäre – ungewisse Zukunft

27. Oktober 2021

Vom 20. bis 23. Oktober tagte das Exekutivkomitee der Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa der Evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) in Budapest. Die Beratungen waren geprägt von der Frage, ob eine gemeinsame Zukunft der methodistischen Kirchen im Bischofsgebiet von Bischof Patrick Streiff möglich sein und wie sie aussehen wird.

Erstmals seit 18 Monaten konnten sich die Mitglieder des Exekutivkomitees der 🔗Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa wieder vor Ort treffen. Dabei wurde grosser Wert auf die gesundheitliche Sicherheit gelegt. So wechselte man den Tagungsort kurzfristig von Rumänien nach Budapest in Ungarn, das weniger betroffen ist von der Corona-Pandemie. Alle Sitzungen und Besprechungen fanden im Hotel statt. Bei der ersten Zusammenkunft wurde bei jeder Person ein Antigen-Schnelltest durchgeführt.

Zukunftsfragen

Einen deutlichen Schwerpunkt der Beratungen und Gespräche bildete die Frage, wie die Zukunft des Bischofsgebiets nach den anstehenden Entscheidungen der inzwischen für 2022 geplanten 🔗Generalkonferenz aussehen könnte. Es wird damit gerechnet, dass es dann zu einer Trennung innerhalb der weltweiten Methodistenkirche kommen wird. Im Zentrum der Auseinandersetzung stehen unterschiedliche Haltungen zu Fragen menschlicher Sexualität.

Folgen abschätzen

Für die Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa ist nach heutigem Stand damit zu rechnen, dass einige zugehörige Jährliche Konferenzen (Synoden) oder Teile von ihnen ausscheiden werden. Die Mitglieder der Tagung nahmen ein Papier zur Kenntnis, in dem die Konsequenzen einer solchen Trennung in struktureller und finanzieller Hinsicht formuliert wurden.

Bleiben wäre keine Option

Einige leitende Methodisten haben unlängst das Eastern Europe Regional Chapter der 🔗Wesleyan Covenant Association (WCA), einer Vereinigung von traditionell ausgerichteten Methodist:innen, gegründet. In diesem finden sich gegenwärtig Mitglieder aus Bulgarien, der Slowakei und Rumänien. Auf die Frage, ob dies der erste Schritt zu einer Trennung sei, antwortete Daniel Topalski, Superintendent der Methodistenkirche in Bulgarien: Falls es in der weltweiten Methodistenkirche zu einer Öffnung gegenüber Homosexuellen kommen sollte, sei in dieser Kirche zu bleiben für die Mitglieder des WCA-Chapters nicht möglich.

Die Mission fördern

Im Rahmen der Sitzung in Budapest fand auch ein Treffen eines erweiterten Runden Tisches statt. Dieser arbeitet an der Fragestellung, wie eine gemeinsame Zukunft aussehen könnte. In den Gesprächen zeigte sich ein wachsendes Vertrauen über die verschiedenen Standpunkte hinweg und eine grundsätzlich offene Gesprächsatmosphäre. Man war bemüht, nicht nur die eigene politische und gesellschaftliche Sicht zu berücksichtigen, sondern auch zu fragen, was dies in anderen Kontexten der Kirche bedeuten könnte. Bischof Patrick Streiff formulierte die zugrundeliegende Frage so: «Während ihr euch bemüht, die Mission der EMK im eigenen Land fortzusetzen, damit sie gedeihen kann, wie könnt ihr dazu beitragen, die Mission der EMK in einem anderen Land der Zentralkonferenz, in dem die Rahmenbedingungen ganz anders sind, nicht zu gefährden, sondern sie auch zu fördern?»

Intensiver Austausch möglich

Ein von Bischof Patrick Streiff verfasstes Dokument bot Gelegenheit zu intensivem, offenem Austausch. Diskutiert wurde dabei unter Nutzung einer Methode, bei der Konsens angestrebt wird. So kam es zu aussergewöhnlich offenen und aufmerksamen Diskussionen und Gesprächen, in denen sich die Tagungsmitglieder mit viel Respekt begegneten.

Beim Austausch über den von Bischof Patrick Streiff vorgelegten Text wurden freilich auch die Bruchlinien zwischen den Mitgliedern deutlich sichtbar. So fand von fünf formulierten Fragen, wie die Kirchenordnung in Zukunft die Realität der Kirche in Fragen der Homosexualität abbilden solle, nur gerade ein Vorschlag eine breitere Zustimmung auf allen Seiten: die Möglichkeit, dass Jährliche Konferenzen abweichend von der gemeinsamen Kirchenordnung ihre eigenen verbindlichen Aussagen zur menschlichen Sexualität festlegen können.

Arbeitsauftrag für «Runden Tisch»

Trotz all der Gespräche standen am Schluss keine inhaltlichen Entscheidungen. Beschlossen wurde lediglich, dass eine kleine Arbeitsgruppe die Kirchenordnung so bearbeitet, dass eine breitere Zustimmung bei Fragen des Umgangs mit Homosexualität möglich werden kann. Dies wird dann an der nächsten Tagung der Zentralkonferenz oder des Exekutivkomitees der Zentralkonferenz vorgelegt. Der Runde Tisch soll ab sofort zudem mit einem externen Moderator weitergeführt werden, da die Leitung zunehmend herausfordernder wird. Nach wie vor ist es das Ziel, die Einheit der Zentralkonferenz zu wahren mit so vielen beteiligten Jährlichen Konferenzen und Ländern wie möglich.

Kein neuer Modus für die Bischofswahl

Für die Wahl eines Nachfolgers oder einer Nachfolgerin für Bischof Patrick Streiff bei der nächsten Tagung der Zentralkonferenz wäre vorgesehen gewesen, dass erstmals die Mitglieder der Jährlichen Konferenzen Pfarrer:innen für dieses Amt hätten nominieren können. Dieses Vorgehen wurde im letzten Moment durch einen hauchdünnen Mehrheitsbeschluss gestoppt. In einigen Jährlichen Konferenzen fühlte man sich überfordert, da die wählbaren Personen der andern Konferenzen zu wenig bekannt seien. Die unsichere Situation angesichts einer möglichen Trennung habe zudem eine ganz neue Wirklichkeit geschaffen, in der eine solche Nomination mehr Verwirrung denn Hilfe sein würde.

Den Bischof entlasten

Ob die für 2022 geplante Generalkonferenz überhaupt durchgeführt werden kann, ist angesichts der Corona-Pandemie noch offen. Sollte es erneut zu einer Verschiebung kommen, könnte das auch die Dienstzeit von Bischof Patrick Streiff 🔗noch einmal verlängern. Aus diesem Grund erhielt die Arbeitsgruppe Bischofsamt den Auftrag, gemeinsam mit dem Bischof ihn entlastende Möglichkeiten zu prüfen und gegebenenfalls einzuleiten.

Jörg Niederer
Beitragsbild: Bischof Patrick Streiff (ganz rechts) leitete die Sitzung in Budapest. (Foto: Jörg Niederer)

Ausführlicher, offizieller Bericht (PDF)

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Generalkonferenz

Die Generalkonferenz ist das oberste Leitungsgremium der weltweiten Methodistenkirche (United Methodist Church). Die Konferenz kann das Kirchenrecht revidieren und Resolutionen zu aktuellen moralischen, sozialen, politischen und wirtschaftlichen Fragen verabschieden. Sie genehmigt auch Programme und Budgets für kirchenweite Aktivitäten. Die für 2020 vorgesehene Tagung in Minneapolis (USA) ist inzwischen auf den 29. August bis 6. September 2022 verschoben worden.

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Zentralkonferenz

In Afrika, Europa und auf den Philippinen bilden die Jährlichen Konferenzen (Synoden) einer grösseren Region sogenannte Zentralkonferenzen. In Europa sind dies die Zentralkonferenz Mittel- und Südeuropa, die Zentralkonferenz Nordeuropa und Eurasien sowie die Zentralkonferenz Deutschland. Diese drei Zentralkonferenzen erstrecken sich über 32 Länder und zehn Zeitzonen in Europa und Asien. Die Zentralkonferenz bildet eine administrative Einheit, die die gemeinsame Arbeit und Mission koordiniert und auch ihren Bischof oder ihre Bischöfin wählt. Die an eine Zentralkonferenz entsandten Delegierten sind zu gleichen Teilen Laien und pastorale Mitglieder. Die Jährliche Konferenz (Synode) Schweiz-Frankreich-Nordafrika ist Teil der Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa, deren Bischof seit 2006  Dr. Patrick Streiff (Zürich) ist. 15 weitere Länder von Polen bis Nordafrika gehören zu dieser Zentralkonferenz.