«Wir hoffen auf eine verständnisvolle Richterin»
5. November 2021
«Beihilfe zum illegalen Aufenthalt» lautet die Begründung des Strafbefehls, den der methodistische Pastor Stefan Schörk erhielt. Am Montag ist die Gerichtsverhandlung.
Im Januar dieses Jahres gewährte Pfarrer Schörk in seiner Kirchengemeinde einem jungen Mann aus dem Iran Kirchenasyl. Wie in solchen Fällen üblich, seien die zuständigen staatlichen, kirchlichen und weitere Stellen über das gewährte Kirchenasyl informiert worden.
Schon oft Kirchenasyl gewährt
Der im deutschen Oberfranken für die 🔗methodistische Kirchgemeinden in Pegnitz und Bayreuth zuständige Pastor hat schon rund dreissig solcher Kirchenasyle begleitet und hält sich, wie er beteuert, «selbstverständlich an die üblichen Verfahrensregeln». Nach einer schriftlichen Anhörung hatte es im vorliegenden Fall keine weitergehende Ahndung durch die Behörden gegeben. Jetzt allerdings liegt Schörk ein Strafbefehl über dreitausend Euro vor. Am kommenden Montagvormittag, dem 8. November, findet die Verhandlung beim Amtsgericht Bayreuth statt.
Abschiebung mitten im Lockdown
Das dem jungen Mann gewährte Kirchenasyl «war dringend geboten, weil behördliches Versagen vorlag», erklärte Schörk schon 🔗in einem Fernsehbeitrag am 30. Januar dieses Jahres. Zehn Tage zuvor hatte er dem jungen Mann im Kirchengebäude seiner Gemeinde in Pegnitz, rund sechzig Kilometer nordöstlich von Nürnberg, Kirchenasyl gewährt. Der bestens integrierte und schon fast fliessend Deutsch sprechende Mann sollte «mitten in der Corona-Zeit von Mutter und Schwester getrennt werden und nach Griechenland abgeschoben werden». Deshalb sah sich Schörk zum Handeln aufgefordert.
Pfarrkollege unterstützt im Prozess
Längst ist das Kirchenasyl beendet. Kürzlich aber erhielt der über Pegnitz hinaus bekannte Pastor Post mit einer Vorladung ins Amtsgericht Bayreuth. «Beihilfe zum unerlaubten Aufenthalt» wird Schörk darin vorgeworfen. Der Vorwurf, Menschen illegal Aufenthalt zu gewähren, wiegt schwer. Und das, obwohl vom Bundesverwaltungsgericht «längst» entschieden ist, «dass Kirchenasyl kein Flüchtigsein begründet», wie Stephan Reichel die aktuelle Rechtslage erklärt. Der evangelische Pfarrer unterstützt als ausgewiesener Kenner der Kirchenasyl-Thematik den jetzt angeklagten evangelisch-methodistischen Pfarrkollegen.
Urteil mit weitreichenden Folgen
Aktuell gebe es drei hängige Verfahren in ähnlicher Sache vor Gerichten in Bayern, sagt Schörk, der in dieser Thematik gut vernetzt ist. Es gehe dabei um die Grundsatzfrage «ob die Freiheit zum Handeln aufgrund der eigenen christlichen Überzeugung mehr Gewicht hat als das Gesetz, gegen das ich verstosse». Deshalb habe ein möglicherweise erfolgendes Urteil eine weitreichende Dimension. Der in einem ähnlich gelagerten Verfahren bereits erfolgte Freispruch einer katholischen Ordensschwester werde derzeit aufgrund staatsanwaltlichen Einspruchs in höherer Instanz überprüft. Aus diesem Grund habe sein Anwalt damit gerechnet, dass das gegen ihn gerichtete Verfahren bis zur höherinstanzlichen Klärung ebenfalls aufgeschoben werde. «Aber es sieht so aus, dass die Staatsanwaltschaft ‹das› jetzt durchziehen will», interpretiert der seit fast fünfzehn Jahren in Oberfranken wirkende Pastor die aktuelle Lage.
Zunehmende Kriminalisierung durch den Staat
Das Vorgehen des Staates, das zeige auch diese Vorladung, werde vehementer. «Der Staat will uns kriminalisieren, obwohl es um Hilfe in Ausnahmesituationen, in absoluten Notsituationen geht», erzählt Schörk weiter. «Da bin ich innerlich von meinem Gewissen geleitet und kann in meiner Verantwortung gar nicht anders handeln.» Diese Glaubensüberzeugung trete aber in Konflikt mit dem Bestreben der Politik, die diese Haltung zum Schutz von Menschen kriminalisiere. «Und diese Kriminalisierungstendenz nimmt zu», ist Schörk empört.
Breite innerkirchliche Unterstützung
Vor der kurzfristig anberaumten Verhandlung am Montag «bin ich schon aufgeregt», erklärt der 47-Jährige. Aber er wisse seine Gemeinde und auch die kirchlichen Verantwortlichen bis zum Bischof und dem Superintendenten hinter sich. «Um mich bin ich nicht besorgt», sagt Schörk mit Blick auf den Gerichtstermin. «Was mich besorgt, ist die Signalwirkung, die ein eventuelles Urteil haben wird», beschreibt er die besonders für die Kirchenasyle in Bayern bedeutsame Verhandlung. Viele der handelnden Personen und Gemeinden, die zur Gewährung von Kirchenasyl bereit sind, würden das Verfahren sehr aufmerksam verfolgen.
Druck und Zuversicht
«Deshalb empfinde ich schon einen gewissen Druck», gibt der Pegnitzer Pastor seine Gefühle preis. Ihm helfe, dass «ich weiss, dass mich viele im Gebet mittragen und unterstützen». Darauf liege «eine grosse Kraft». Sein Wegbegleiter Stephan Reichel gibt sich zuversichtlich: «Wir hoffen auf eine verständnisvolle Richterin, die analog früherer Urteile Herrn Pfarrer Schörk freispricht.»