Bezirk
Stpendiatinnen in Bolivien

«Wir Frauen sind ebenso fähig wie die Männer»

8. November 2021

26 junge Frauen, die vom Frauenwerk der Methodistenkirche in Bolivien ein Stipendium erhalten, trafen sich am 30. Oktober in La Paz zu einem Weiterbildungstag. Sie wurden darin bestärkt, ihre Ausbildung fertig zu machen, ihre Fähigkeiten zu entfalten und sich mutig in der Gesellschaft einzubringen.

Die Frauen bilden sich beispielsweise zur Primarlehrerin oder Buchhalterin aus, studieren Jura oder machen eine Ausbildung als Technikerin. Am Weiterbildungstag hörten sie ein Referat zu «Selbstwert – persönliche Entwicklung» und wurden von einer ehemaligen Stipendiatin für ihr Studium motiviert. Eine weitere Stipendiatin sprach zu «Prävention gegen Gewalt an Kindern». Mit dabei war Monika Brenner, die das Projekt begleitet. Sie arbeitet als Koordinatorin von Connexio hope, kirchliche Zusammenarbeit und Connexio develop, Entwicklungszusammenarbeit der Methodist:innen.

Niemals aufgeben

«Ich glaube, wir Frauen können ebenso gut eine Leitungsfunktion einnehmen wie Männer, auch wenn wir uns viel mehr behaupten müssen», sagte Jhessica Quino Huanto. Sie ist Buchhalterin und ehemalige Stipendiatin. Die Studentinnen möchte sie dazu motivieren, trotz Herausforderungen ihr Studium zu beenden und einen verantwortungsvollen Posten einzunehmen: «Gebt niemals auf in eurem Studium! Und wenn ihr euer Studium beendet habt, sucht eine Arbeit. Wir Frauen sind ebenso fähig wie die Männer!»

Verwirklichte und neue Pläne

Jhessica Quino Huanto ist in der Methodistenkirche aufgewachsen und hatte in den Jahren 2016-2017 ein Stipendium für die Ausbildung zur Buchhalterin erhalten. Sie erzählte: «Das Programm richtet sich speziell an Frauen mit geringem Einkommen, darum war es für mich eine grosse Hilfe, meinen ersten Abschlusslevel zu erreichen.» Das anschliessende Studium mit Bachelorabschluss finanzierte sie selbst. Heute arbeitet sie als geprüfte Buchhalterin an einer Schule der Methodistenkirche in La Paz. Sie überlegt schon weiter: «Vielleicht mache ich später noch ein weiteres Studium, damit ich weiterhin meine Familie und meine Kirche mit meinen Fähigkeiten und Gaben unterstützen kann.»

Eine neue Generation

In der an ihren Vortrag anschliessenden Diskussionsrunde wurde schnell klar, dass in der Generation dieser jungen Frauen ein Umdenken stattgefunden hat. Ihnen ist bewusst, dass sie gleichwertig wie die Männer sind und deshalb genauso studieren und arbeiten können. Die meisten jungen Frauen möchten eine Familie haben und auch ihren Beruf ausüben. In den ländlichen Gebieten herrscht jedoch mehrheitlich die Vorstellung, dass vor allem die Männer studieren sollten, damit sie später eine gut bezahlte Arbeit haben und ihre Familie ernähren können. Die Frauen kümmern sich als Familienfrauen um den Hof und die Kinder.

Andere junge Frauen informieren

Die Stipendiatin Tamara Alvarez Ubano fand es wichtig, dass gerade die jetzigen Stipendiatinnen andere junge Frauen in ländlichen Gebieten auf das Programm aufmerksam machten. Ihre Familie lebt auf dem Land. Sie musste für ihr Studium in die Stadt ziehen und sich dort ein Zimmer mieten. Die Stipendiengelder reichen daher nicht immer für alle Ausgaben. Sie hofft, dass sie im nächsten Jahr als leitende Technikerin eine Arbeit finden wird.

Frauen motivieren einander

Monika Brenner war in den letzten drei Jahren an vielen Workshops dabei. Sie beobachtete: «Mehr und mehr erlebe ich, dass sich die Frauen öffnen und von ihren persönlichen Situationen in den bescheidenen Verhältnissen in ihren Familien sowie von den Herausforderungen ihres Studiums erzählen.» Dieser Austausch sei motivierend, weil die Frauen erlebten, dass keine von ihnen allein sei.

Gewalt darf nie normal sein

Adriana Angulo Orellano bildet sich zur Primarlehrerin aus und sprach zu «Vermeidung von gefährlichen Situationen für Kinder». Sie gab ihr Fachwissen weiter und übte, vor andern zu sprechen. Aus ihrer eigenen Schulzeit kenne sie es noch, dass die Lehrperson einem Kind mit dem Lineal auf die Finger schlage, wenn es etwas nicht wusste oder konnte. Die Meinung war, dass die Schläge die Kinder zum besseren Lernen motivieren sollten. Heute seien alle Gewalttaten von Lehrpersonen gesetzlich verboten, weil sie statt Motivation Angst erzeugten. Ein Kind, das in einer Familie aufwachse, in der es Gewalt erlebe, meine, diese Umgangsformen seien normal. Adriana Angulo Orellano ist überzeugt: «Gewalt darf niemals ‹normal› sein.»

Eine gute Stelle finden

Für die Frauen des letzten Studienjahres war dies der letzte Workshop und ein Abschied von der gemeinsamen Zeit. Für diese Frauen gilt es noch ihre Abschlussarbeit zu schreiben und sich zu bewerben. Generell sei es schwieriger, als Frau eine Arbeit zu finden, erlebte Jhessica Quino Huanto: «Ich habe nach meinem Studium meinen Lebenslauf an viele Orte geschickt. Leider ist es vielerorts so, dass männliches Personal mehr geschätzt wird.» Doch es lohne sich, als Frau zu kämpfen und eine Stelle zu suchen, wo sie ihre Fähigkeiten wirklich einsetzen könne.

Bild: Anne Barth
Text: Monika Brenner / Nicole Gutknecht

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Connexio develop unterstützt das Stipendienprogramm für junge Frauen in Bolivien mit Projektbeiträgen und dem Einsatz der Koordinatorin Monika Brenner.
Connexio develop, Zürich, CH44 0900 0000 1574 7157 9

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