Bezirk
Bild: Lev Shults (l.) und Lastwagenfahrer aus der Gemeinde

Ein Ort des Friedens in Prag

18. März 2022

Tschechien grenzt nicht un­mittel­bar an die Ukraine. Den­noch führt der Krieg dort zu Span­nungen – etwa zwischen ukrai­nischen und russischen Be­völkerungs­gruppen. Auch in der russisch­sprachigen Metho­disten-Gemeinde in der Haupt­stadt Prag kom­men Leute aus der Ukraine und Russland zusammen.

Zehn Autostunden sind es von Prag bis zur ukrainischen Grenze. Doch an vielen Orten der tschechischen Hauptstadt geht ein Riss mitten durch die Gemeinschaft. Der Krieg in der Ukraine wirft seine Schatten. Spannungen zwischen den zahlreichen Ukrainer:innen und Russ:innen, die in der Stadt leben, sind zu spüren in Restaurants, Lebensmittelläden und sogar auf den Strassen.

Ist der Name Programm?

Auch zur russischsprachigen Gemeinde der Methodistenkirche in Prag gehören Ukrainer:innen und Russ:innen sowie Leute aus Weissrussland und Kasachstan. Die Kirchgemeinde nennt sich «Agape»-Gemeinde: eine Gemeinschaft der bedingungslosen Liebe. Doch kann sie diesem Anspruch in einer so spannungsvollen Situation gerecht werden?

Russisch und Ukrainisch

Ihre Spende hilft!
Connexio develop, die Organisation für Ent­wick­lungs­zu­sam­men­arbeit der Metho­disten­kirche in der Schweiz unter­stützt Initiativen und Projekte für Flüchtlinge in der Ukraine selbst und in Polen, Rumänien, Ungarn und der Slowakei.

Spenden Sie jetzt!

(Vermerk: «Nothilfe Ukraine»)
Mit TWINT spenden

Ray Wilck, ein pensionierter methodistischer Missionar aus den USA, besuchte kürzlich einen der Gottesdienste dieser Gemeinde. «Mein erster Eindruck war, wie ähnlich die Gottesdienste der Methodistenkirche in allen Sprachen und Kulturen sind» sagt er. «Ich konnte dem Gottesdienst auf Englisch folgen. Der Sohn des russischen Pastors Lev Shults übersetzte. Die Schriftlesungen und die Predigt waren auf Russisch. Die Gebete waren auf Ukrainisch, und die Loblieder wurden in beiden Sprachen gesungen.»

Mitten in einem Albtraum

Für Wilck war es aber nicht einfach ein normaler Gottesdienst. Vielmehr erlebte er etwas, das ihn zutiefst berührte. «In seiner Predigt achtete Pastor Lev darauf, keinen politischen Standpunkt zu bevorzugen – sehr sogar. Seine Botschaft war eine göttliche, keine politische», so Wilck.
Dennoch sei Pastor Levs Botschaft untrennbar mit der aktuellen Situation verbunden gewesen. «Pastor Lev erzählte, wie er in der Nacht nach einem Alptraum aufgewacht war – und festgestellt hatte, dass dieser Alptraum Wirklichkeit ist.»

Hilfe für die Ukrainer:innen

Angesichts dieser erschütternden Wirklichkeit habe Lev Shults auf die Hilfsaktivitäten der Gemeinde Bezug genommen und mit grosser Achtung vom Engagement derjenigen Männer gesprochen, die, unterstützt von den tschechischen methodistischen Gemeinden, wöchentlich mit einem Lastwagen an die ukrainische Grenze fahren – voll beladen mit dringend benötigten humanitären Gütern: nicht verderbliche Lebensmittel wie Dosenfleisch, Hygieneartikel wie Seife und Toilettenpapier und Medikamente. Die Ladung wird jeweils an der Grenze übernommen und an Hilfsbedürftige in der Ukraine verteilt.

Eine Bombe schlägt ein

Zerstörtes Wohnhaus nach einem Bombeneinschlag in Sumy, Ukraine. (Bild: zVg)

Die Hilfsgüter gelangen zum Beispiel nach Sumy, 🔗einer Stadt im Nordosten der Ukraine. Zahlreiche Menschen sind von dort schon Richtung Westen geflohen. Manche sind aber auch geblieben. Einige Tage nach Wilcks Gottesdienstbesuch in der russischsprachigen Methodistengemeinde in Prag erreichte Pastor Lev Shults die Nachricht eines Freundes in Sumy. Die Stadt sei in der Nacht bombardiert worden. Eine Bombe sei dabei unmittelbar neben dem Haus eines Diakons detoniert. Die Druckwelle der Explosion habe ein Fenster quer durch das ganze Zimmer geschleudert, knapp über die Köpfe des Diakons und seiner Ehefrau hinweg. Hätten die beiden sich nicht zum Gebet hingekniet gehabt, sondern wären stattdessen gestanden, wäre das Fenster nicht an der gegenüberliegenden Wand zerborsten, sondern hätte das Ehepaar getroffen.

Friede verbindet

«Die Predigt, die Pastor Lev im Gottesdienst hielt, war nur kurz», erzählt Wilck weiter von seinem Besuch. «Ihr Schlüsselwort war ‹Friede›. Frieden für die Ukrainer, Russen, Tschechen, Amerikaner und alle Kinder Gottes.» Pastor Lev habe über Jesus gesprochen und darüber, dass wir einander so lieben sollen, wie wir uns selbst lieben. «Sein Gebet war einfach und schlicht. Wir müssen unsere Herzen füreinander in Frieden öffnen.» In offenen Gebeten habe die Gemeinde für ein gemeinsames Verständnis unter allen Völkern und Nationen gebetet.
Nach dem Gottesdienst konnte Wilck kurz mit Pastor Lev Shults sprechen. «Ich fragte ihn, wie er seine Botschaft zusammenfassen würde. Seine Antwort war: ‹Friede verbindet die Menschen. Krieg trennt sie. Wir beten in Jesu Namen.›»

Ray Wilck wollte einen Gottesdienst an einem Sonntagnachmittag besuchen – und fand einen Ort, an dem der Friede noch immer zuhause ist..

Urs Schweizer, Assistent von Bischof Patrick Streiff, Zürich / SF
Quellen: Ray Wilck, Prag / Pastorin Jana Krizova, Prag
Beitragsbild: Pastor Lev Shults predigt in Prag. Die Männer auf dem rechten Bild fahren regelmässig mit Lastwagen an die ukrainische Grenze. (Bilder: zVg)

Übersichtsseite zur Ukraine

Weitere Newsmeldungen

Abonnieren Sie hier unseren Newsletter