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Bild: Reto Gubelmann

Weltanschauung als wissenschaftliche Ressource

9. April 2022

Eine reflektierte Weltanschauung ist für wissenschaftliches Arbeiten nicht hinderlich, sondern kann dieses sogar befruchten. Davon ist Reto Gubelmann überzeugt. Der Methodist engagiert sich darum bei «foXs».

«Ich war es gewöhnt, dass ich entweder den Kopf oder das Herz abschalten muss», sagt Reto Gubelmann. Kopf und Herz, Denken und Glauben, Bildung und Spiritualität standen im Laufe seiner Biografie oft im Gegensatz zueinander. Beim 🔗«Forum Christliche Studien» – kurz foXs – findet beides zusammen. «Hier kann ich etwas, das mir in meinem Alltag existenziell wichtig ist, reflektieren, analysieren, darüber nachdenken – und als Erkenntnisressource fruchtbar machen.»

Was ist Wahrheit?

Gubelmann leitet an der HSG ein Team zur Lehrinnovation und unterrichtet Philosophie an der Universität in Zürich und St. Gallen. Der Methodist interessiert sich für künstliche Intelligenz. Und für die Wahrheit. «Die Reflexion über die ‹Wahrheit› ist eines der drängendsten Themen in der theoretischen Philosophie unserer Zeit», ist er überzeugt. «Es ist zum Beispiel heute nicht mehr denkbar zu sagen, dass ein Theaterstück ‹wahr› sei.» Als «wahr» gälten nur noch Aussagen, die irgendwelchen Fakten entsprechen.

Als Ressource nutzen

Einen solchen «reduktionistischen Physikalismus» aufzubrechen, ist eines der Anliegen von foXs. «Mit Symposien und der Summerschool schafft foXs eine Plattform für Leute, die Philosophie – und besonders christliche Philosophie – als wissenschaftliche Ressource ernst nehmen und für unterschiedliche wissenschaftliche Disziplinen fruchtbar machen wollen», sagt Gubelmann. Der Methodist ist im Stiftungsrat des Forums engagiert.

Auf den Tisch!

«Unserer Meinung nach ist es falsch, die Weltanschauung unter den Teppich zu kehren», erläutert Gubelmann das Anliegen von foXs. Die müsse auf den Tisch kommen. Einerseits, weil sie nur so als Ressource für verschiedene Forschungsbereiche fruchtbar gemacht werden kann. «Auf den Tisch muss sie aber auch deshalb, weil es sie eben gibt.»

»Neutral» gibt es nicht

Es sei beispielsweise falsch, davon auszugehen, dass es so etwas wie einen «neutralen» Lehrplan gebe. Der sei vielmehr durch die vorherrschende Weltanschauung geprägt. «Die Lösung kann also nicht sein, selbst möglichst neutral zu sein.» Vielmehr gehe es darum, Möglichkeiten zu finden, mit dieser multikulturellen und multiweltanschaulichen Realität, die gegeben ist, klar zu kommen.

Offen diskutieren

«In diesem Sinne bieten wir eine Plattform für eine Art von Diskussion, die sonst in Europa nicht geführt wird», sagt Gubelmann. Die Universitäten in Europa seien «strikt durchsäkularisiert». Da bleibe kein Raum für einen «weltanschauungspositiven Bildungsbegriff», bei dem ernst gemacht wird damit, dass eine bestimmte Weltanschauung wissenschaftliche Erkenntnisse beeinflusst und befördert. Bei den Veranstaltungen von foXs kommen Leute zusammen, die offen über solche wissenschaftstheoretischen Fragen diskutieren wollen.

Kunst und Wahrheit

Symposien wie das gerade durchgeführte im März (🔗«Ist das Wort Gehirn geworden?») oder das nächste im Juni (🔗«Mensch und Natur») bieten Gelegenheiten zu solchen Diskussionen – und die 🔗Summerschool. Vom 19.-24. Juli geht es bei diesem Anlass um «Kunst und Wahrheit». Referent:innen beleuchten die Rolle der Kunst in der Gesellschaft, fragen nach der Wahrheit in der Kunst und wie diese Wahrheit gegenüber der naturwissenschaftlich definierten Faktizität zur Geltung gebracht werden kann.

Kritisch und wertschätzend

Dass und wie es bei solchen Anlässen gelingt, einerseits kritisch zu arbeiten, andererseits andere Positionen wertzuschätzen, gehört für Gubelmann zu dem, was die Arbeit von foXs auszeichnet. «Mich fasziniert diese extrem offene, kritische, wertschätzende Kultur.» Auch in den Feedbacks zu den Anlässen tauche diese Feststellung immer wieder auf. «Auf der einen Seite wissen wir, wer wir sind.» Eigene Positionen würden nicht ohne Kampf aufgegeben. «Auf der anderen Seite weiss ich, dass ich nur besser werde, lerne und mich weiterentwickle, wenn ich mit den anderen Leuten rede.»

Wie bei den Methodisten

Hier sieht Gubelmann auch eine Parallele zur Methodistenkirche. «Darum bin ich Methodist», sagt er. In dieser Kirche gebe es einerseits eine klare und gelebte Frömmigkeit mit festen Überzeugungen. Die würden nicht einfach aufgegeben. «Zugleich gibt es aber eine Offenheit, eine Bereitschaft, zu reden, andere zu respektieren – und das Spannungsverhältnis zwischen diesen beiden Polen auszuhalten.»

Sonst nirgendwo zu finden

Dass und wie bei foXs «Kopf» und «Herz» miteinander verbunden werden, diese Art von Integration habe er sonst nirgends gefunden. Auf die Frage, weshalb Leute, die noch zögern, mutig den Schritt wagen und an einem der Anlässe teilnehmen sollten, antwortet er darum aufgrund der eigenen Erfahrung: «Weil sie nichts zu verlieren haben. Die Chance ist jedoch gross, dass sie hier etwas finden, was sie sonst nirgendwo in der Schweiz finden werden.»

S.F.
Beitragsbild: zVg

Website von foXs

Flyer foXs-Summerschool «Kunst udn Wahrheit»

 

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