
«Als Kirche müssen wir kommerzieller werden»
29. Juni 2022
Der Bericht der Superintendentin und der Superintendenten, das Eröffnungsvotum des Bischofs, Vorschläge für einen Strukturwandel in der Arbeitsweise der Kirche – die Tagung der Jährlichen Konferenz (Synode) der Methodistenkirche in Süddeutschland vom 22.-26. Juni stand im Zeichen grundlegender Veränderungen.
«Tiefgreifender und unbequemer als uns lieb ist» sei die Herausforderung, die kirchliche Arbeit neu zu verstehen und neu zu gestalten, sagte der methodistische Bischof Harald Rückert den Mitgliedern der süddeutschen Jährlichen Konferenz zum Auftakt seines Impulses. Der Bischof beschrieb die aktuelle Situation als Zeit vieler Krisen. In der Gesellschaft geben es einen «Trend zu noch mehr Individualisierung».
Zeit für Veränderungen
Die Notwendigkeit zu grundlegenden Veränderungen sei für jeden und jede offenkundig, sagte Rückert. Gleichzeitig machte er den Konferenzmitgliedern Mut zur notwendigen Veränderung: «Die Zeit für grundlegende Veränderungen in der Kirche ist gerade richtig gut!»
In Beziehung leben
Schon im Vorfeld der Konferenztagung signalisierte der Superintendenten-Bericht mit seinen 56 Seiten, dass es um eine gewichtige Botschaft gehen werde. Mit dem Titel «Veränderung wagen» setzten Superintendentin Dorothea Lorenz und die drei Superintendenten Tobias Beisswenger, Markus Jung und Stefan Kettner das Thema. Nach der auf einer umfangreichen innerkirchlichen Befragung beruhenden Beschreibung der grossen gesellschaftlichen Entwicklungen und deren Auswirkungen auf die Methodistenkirche betonten sie Stärken dieser Kirche und ihrer Gemeinden und beschrieben einen Ausgangspunkt für den Weg der Kirche in die Zukunft. Dafür stehe das Motto: «Unsere Mission: Leben in Beziehung».
Kirchenmauern verlassen
Weil die methodistische Kirche auf Gemeinschaft setze, müsse sie sich «in der Verbindung niederschwelliger Gemeinschaft und intensiv gelebten Glaubens weiterentwickeln». Deshalb wünschten sie sich «Gemeinden, die sich radikal für andere öffnen und anderen Menschen einfach Heimat bieten». Das seien «Gemeinden, die die schützenden Kirchenmauern verlassen und sich auf das Abenteuer Begegnung im Café, auf dem Spielplatz oder der Bowlinghalle einlassen». So solle die Kirchgemeinden dazu beitragen, «dass unser Umfeld, unsere Gesellschaft und damit vor allem die Menschen, mit denen wir gemeinsam leben, in Beziehung kommen: zu Gott, zu sich selbst und zu ihren Nächsten».
Veränderungen einleiten
In mehreren Teilen der Konferenz setzten sich die Mitglieder der Tagung mit dem Bericht und den darin verbundenen Anträgen auseinander. Nach einer engagierten Diskussion gab es schliesslich eine breite Zustimmung, den vorgeschlagenen Veränderungsprozess einzuleiten und umzusetzen. In den kommenden zwei Jahren soll in sieben sogenannten Handlungsfeldern der Transformationsprozess umgesetzt werden.
Mehr niederschwellige Angebote
Inhaltlich soll «eine gemeinsame Vision» für die kirchliche Arbeit entwickelt werden. Für Veranstaltungen und Gottesdienste sollen mehr niederschwellige Angebote entwickelt werden, um aussenstehende Menschen in ihrem Lebensumfeld zu begegnen. In Personalfragen sollen neue Wege ausgelotet werden, um neben dem klassischen innerkirchlichen Ausbildungsweg «geeignete Personen für unsere Kirche zu finden».
Schneller und zielgerichteter Handeln
Die ehrenamtliche Mitarbeit als tragendes Element kirchlicher Arbeit wird unter der Frage «Wie schaffen wir es, das Ehrenamt attraktiv zu halten?» in den Blick genommen, um Überlastungen durch das Ehrenamt neben Familie und Beruf zu vermeiden. Auch die Strukturen der kirchlichen Arbeit werden analysiert, «damit wir Dinge schneller entscheiden und vor allem zielgerichteter umsetzen».
Fördern und schliessen
Sehr weitreichend sind die Überlegungen zur Standortwicklung für die Methodistenkirche in Süddeutschland. Dabei geht es um die Fragen, wo Gemeinden gefördert und Projekte oder Gemeindegründungen angestossen werden, und andererseits auch um die Schliessung von Gemeindestandorten oder die Zusammenlegung benachbarter Gemeinden zu einer Region. Die Diskussion einer Art «Standortpolitik» ist angestossen.
Kostentransparenz
Das siebte Handlungsfeld widmet sich dem Thema Finanzen, das die Superintendenten so zuspitzen: «Wir glauben: Als Kirche müssen wir kommerzieller werden.» Es geht um die Gehälter der Hauptamtlichen, eine klare Kostentransparenz der Gemeindearbeit, den Mut zur Investition in Gemeindegründungen sowie die Suche nach Einsparpotenzial oder die Vermietung von Räumlichkeiten, um Einnahmen zu erzielen, «denn», so die Superintendenten, «dieses Geld ist bei uns in guten Händen.»
Die Superintendentin und die Supterintendenten sollen das Augenmerk ihrer Arbeit in den kommenden zwei Jahren auf die Begleitung und Durchführung dieses Prozesses richten. Für den Zeitraum der Jahre 2023 und 2024 wird dafür ein Betrag von 50.000 Euro bereitgestellt, um alle nötigen Maßnahmen, Beratungen und Umsetzungsschritte des Transformationsprozesses zu finanzieren.
Klaus Ulrich Ruof, emk.de / S.F.
Beitragsbild: An sieben Stationen und mit kreativen Arbeitstechniken suchten die Mitglieder der Süddeutschen Jährlichen Konferenz nach Wegen zur Veränderung der kirchlichen Arbeit. Im Bild der Rutesheimer Pastor Gottfried Liese an der Themenstation «Strukturen und Entscheidungsprozesse». (Foto: Klaus Ulrich Ruof, emk.de)
Bischofswort von Bischof Harald Rückert an die süddeutsche Jährliche Konferenz