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Anti-Rassismus – ein Anliegen der Kirche?

28. November 2022

Muss sich auch die Kirche in der Schweiz mit dem Thema Rassismus auseinandersetzen? 64 methodistische Pfarrpersonen gingen dieser Frage vom 7. bis 10. November im Rahmen einer Weiterbildung nach.

Wozu sollten sich Personen in der Kirche mit dem Thema Rassismus auseinandersetzen? Es ist doch ein christliches Kernanliegen, allen Menschen unvoreingenommen und wertschätzend zu begegnen. Massstab des Verhalten in der Kirche ist die Nächstenliebe, die am Vorbild Jesu verinnerlicht wurde.

Eine Entdeckungsreise

Trotz der guten Absichten, die sich nicht zuletzt kirchliche Hauptamtliche in diesen Fragen selbst unterstellen, machten sich 64 Pfarrpersonen anlässlich ihrer Weiterbildung auf eine thematische Entdeckungsreise unter dem Thema: «Befreiung und Befähigung – eine Konfrontation mit Anti-Rassismus»

Kompetente Referentinnen

Mit vielen Erfahrungsbeispielen führten die Referentinnen, 🔗Estefania Cuero und 🔗Rahel El-Maawi, in das Thema ein. Sie machten anschaulich, dass in allen Begegnungen entscheidend ist, wie die Worte und Verhaltensweisen bei den Betroffenen selbst ankommen, bei den People of Color.

«Weisse» als Norm

Wenn in der Kirche etwa davon gesprochen werde, dass Menschen «aller Rassen und Farben» ihren Platz finden sollen, vermittle diese Formulierung, dass «Farbige» extra erwähnt werden müssten als die «Anderen». Die «weisse Mehrheit» hingegen sei die Norm und stillschweigend vorausgesetzt.

Und im Kreis der Pfarrpersonen: Wird hier voneinander wahrgenommen, dass Kolleginnen und Kollegen dabei sind, die zu diesen «Anderen» gehören, nicht «weiss» sind, nicht mit der unausgesprochen vorgegebenen Norm mitgemeint sind – und oft deswegen rassifizierende Erfahrungen gemacht haben? – Gefordert ist Gedankenarbeit und Achtsamkeit, um beispielsweise in der Sprache Gleichwertigkeit auszudrücken und die Verschiedenheit wertzuschätzen.

Abwehrmechanismen

Als «Weisse» wurden die Teilnehmer:innen mit typischen Abwehrmechanismen zu Rassismuserfahrungen konfrontiert. Dazu gehöre zum Beispiel der Einwand, selbst Arten von Diskriminierung erlebt zu haben oder zumindest zu kennen. Indirekt würde damit rassifizierten Menschen das Recht abgesprochen, ihre Betroffenheit von Rassismus zu teilen.

Rückfragen stellen

Stück für Stück wurde für die Pfarrpersonen an dieser Weiterbildung klarer, wie stark die Kultur auch in der Schweiz vom Kolonialismus und rassistischen Rechtfertigungsversuchen von Ausbeutung geprägt ist. Auch Menschen in der Kirche sind davon nicht ausgenommen. Verständnis und Wertschätzung beginnt mit Zuhören. Solches Verhalten wird sich in jeder Art von Ungleichheit als hilfreich erweisen. Es gilt, den blinden Fleck wahrzunehmen und mit Mut ungerechten Handlungsweisen entgegenzutreten. Das kann zum Beispiel bedeuten, Rückfragen zu stellen: «Was willst du damit ausdrücken?», «Wie meinst du das?»

Keine Frage der Bildung

Bildungsnähe oder -ferne spielt dagegen keine Rolle dafür, ob Menschen zu ausschliessendem Verhalten neigen. Rassismus kommt überall vor. Das machte ein Beispiel aus dem akademischen Milieu deutlich: Der Lehrstuhl für «Interkulturelle Theologie und Migration», denn es bislang überhaupt nur an zwei der theologischen Fakultäten in der Schweiz gibt, hiess in Europa noch bis vor kurzem «Aussereuropäische Theologie». Der Blick geht oder ging immer noch von einer überlegenen «weissen» Sicht auf andere Menschen und der Beurteilung der «anderen» Erfahrungswelt aus.

Ein weiter Weg

Fazit der Teilnehmer:innen: Wir «Weisse» haben noch einen Weg zu gehen, bis wir uns genauso selbstverständlich unterweisen lassen von People of Color, von ihren Erfahrungen und ihrem wissenschaftlichen und kulturellen Schaffen. Die Weiterbildung der methodistischen Pfarrpersonen in Adelboden war schon mal ein guter Anfang.

Ernst Hug / S.F.
Beitragsbild: Leejoann, Pixabay

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