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Bild: Seminar zur Rolle der Kirche in der Friedensförderung.

Der Traum von einem Leben ohne Gewalt

13. Dezember 2022

Frieden ist ein kostbares und zugleich zerbrechliches Gut. Im Osten der Demokratischen Republik Kongo sind die Kirchen selbst Teil der Konflikte – suchen jedoch auch Wege, diese zu überwinden. Die Leute dort wissen jedenfalls genau, was sie sich wünschen, wenn sie auf den Frieden hinarbeiten.

Das zu Ende gehende Jahr hat vor Augen geführt, dass Frieden keineswegs eine Selbstverständlichkeit ist und auch nicht ohne Anstrengung erhalten bleibt. Frieden ist kostbar und gleichzeitig sehr zerbrechlich. Vielen Menschen auf dieser Erde bleibt der Frieden verwehrt.

Engführungen

In der westlichen Welt besteht die Tendenz den Frieden wie so viele andere Dinge zu individualisieren. Doch Frieden ist keine Privatangelegenheit, sondern es geht immer um meine Mitmenschen in meinem nahen und weiteren Umfeld.

Unter schwierigen Bedingungen

In der Provinz Süd-Kivu im Osten der Demokratischen Republik Kongo engagiert sich die Methodistenkirche für ein friedvolles Zusammenleben der verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Es ist zutiefst beeindruckend, wie sich Menschen trotz enormen Herausforderungen für den Frieden einsetzen.

Komplexe Ursachen

Oft werden die Konflikte im Osten der Demokratischen Republik Kongo als interethnische Konflikte dargestellt. Auch wenn viele Konflikte entlang ethnischer Linien ausgetragen werden, sind deren Ursachen komplexer als die Differenzen, die zwischen den verschiedenen ethnischen Bevölkerungsgruppen bestehen. Politische Machtansprüche, gewohnheitsrechtliche Fragen, Zugang zu den knapper werdenden natürlichen Ressourcen vermischen sich mit regionalen und internationalen Interessen zu einem explosiven Cocktail.

Die Gewalt geht zudem in den aller meisten Fällen von bewaffneten Milizen aus, die unter anderem durch illegale Rohstoffgeschäfte und von politischen Entscheidungsträgern finanziert werden.

Grosses Leid für viele Menschen

Die Leidtragenden sind die Menschen, die in der Region leben. Sie werden gewaltsam vertrieben und verlieren ihre Existenz. Sie tragen das Leid der vielen Opfer, die die Konflikte fordern. Sie werden instrumentalisiert und verlieren das Vertrauen in Mitmenschen aus anderen Bevölkerungsgruppen.

In der Provinz Süd-Kivu leben mittlerweile über 1.3 Millionen Binnenflüchtlinge, die gewaltsam aus ihren Lebensräumen vertrieben wurden. Frauen und Kinder sind dadurch zudem häufig schwerer sexueller Gewalt ausgesetzt.

Gemeinschaften mit Potenzial

Die Religionsgemeinschaften übernehmen in der Provinz Süd-Kivu, wie auch in anderen Regionen des Landes, eine wichtige gesellschaftliche Rolle. Oft sind sie im Bildungs- und im Gesundheitssektor tätig und leisten einen wichtigen Beitrag für den Zusammenhalt der Gesellschaft. Aufgrund ihrer Wertehaltung und Ethik sind Religionsgemeinschaften prädestiniert, sich für ein gutes Zusammenleben der verschiedenen Bevölkerungsgruppen einzusetzen.

In ethnischer Gewalt gefangen

Die Realität ist hingegen viel komplexer. Die Kirchen sind sowohl Teil der Konflikte als auch Teil einer Konfliktlösung. Der Vorsitzende der Kommission für Gerechtigkeit und Frieden der katholischen Kirche in Uvira sagt, dass auch die Kirchen in der Falle des Radikalismus und der ethnischen Gewalt gefangen seien. Ethnische Identität macht auch vor den Kirchen nicht halt. Viele Kirchen tragen das ethnische Etikett ihrer Führungsfiguren.

Aufgenommen

Dass es auch anders sein kann, bestätigt ein Pastor aus der Umgebung von Baraka, einer Region, die sehr stark unter den interethnischen Konflikten leidet: «Als unser Dorf von bewaffneten Gruppen angegriffen wurde, sind wir nach Baraka geflüchtet. Wir wurden von der Methodistenkirche aufgenommen und ohne Beachtung der ethnischen Zugehörigkeit untergebracht.» Damit betont er, dass eine kritische Auseinandersetzung mit der Rolle der Kirchen in der Konflikttransformation wichtig ist. Nur so kann die Kirche zu einer Befriedung der Region beitragen.

Botschaften gegen den Hass

Seit 2018 engagiert sich die Methodistenkirche der Episkopalregion Ost-Kongo in der Region des Hochlandes von Uvira und Fizi für ein friedvolleres Zusammenleben. Um Hassbotschaften in den Social Media entgegenzuwirken, wurde unter der Koordination von Michel Kizibisha Journalisten aus verschiedenen Bevölkerungsgruppen mobilisiert, um Botschaften gegen den Hass und für ein friedvolles Zusammenleben zu formulieren. Die Botschaften wurden über lokale Radiostationen ausgestrahlt.

Brücken schlagen

Michel Kizibisha (Foto: Blaise Mutoka)

Die Radiobotschaften seien in seinem Wohnort gut aufgenommen worden, sagte Jacques Muzingwa, ein Journalist, der bei der Formulierung von Radiobotschaften mitgearbeitet hat. Die Botschaften hätten eine Brücke zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppierungen geschlagen, deren Verhältnis sehr stark von Misstrauen geprägt war.

Michel Kizibisha, Koordinator des Friedensförderungsprogramms, sagt, dass durch die Radiokampagne eine grosse Anzahl Menschen aus allen Bevölkerungsschichten gleichzeitig erreicht werden kann. Es sei eine gute Möglichkeit das Bewusstsein der Bevölkerung zur Achtung der Menschenrechte und der Verfassung zu fördern.

Ungerechtigkeit stoppen

Das Fehlen funktionierender staatlicher Strukturen und die vielschichtigen Konflikte in der Region haben dazu geführt, dass die Bevölkerung oft eine Art Volksjustiz oder Lynchjustiz anwendet. Das heizt die Konfliktsituation zusätzlich an. Es sind oft junge Männer, ohne Arbeit und ohne Perspektive, die die Volksjustiz anwenden.

Das Recht stärken

Unter der Leitung von Michel Kizibisha wurden Vertreterinnen von Frauengruppen, junge Männer und Behördenmitglieder sowie Vertreter der Kirchen eingeladen, das Problem der Lynchjustiz zu besprechen, um damit einen Beitrag zu leisten, die Bevölkerung über die negativen und menschenverachtenden Folgen der Lynchjustiz zu sensibilisieren. Das Problem einer fehlenden oder voreingenommenen Rechtsprechung kann damit nicht behoben werden. Doch ist dies ein wichtiger Schritt dahin, dass Menschen nicht unschuldig, ohne fairen Prozess von der Öffentlichkeit verurteilt werden und oft mit dem Leben bezahlen müssen. Insbesondere Frauen, die oft bereits früher Gewalt erfahren haben, werden Opfer dieser Lynchjustiz.

Weiterarbeiten

Antoine Muganza, ein Treibstoffhändler aus der Region, hat an einem Seminar zu diesem Thema teilgenommen und sagt, dass die Methodistenkirche unbedingt an diesem wichtigen Thema weiterarbeiten müsse. Es meinte auch, dass die Frauen und junge Menschen stärker einbezogen werden müssen, um eine Veränderung zu bewirken. Antoine Muganza hat realisiert, wie wichtig ein funktionierender Justizapparat und die Unschuldsvermutung sind.

Ohne Gewalt leben können

Aline Nansukura (Foto: Jean-Paul Dietrich)

Die Situation der Menschen in der Provinz Süd-Kivu ist von sehr vielen Herausforderungen geprägt. Die Hoffnung, bleibt, dass die Konflikte transformiert und ein friedvolles Zusammenleben möglich wird. Aline Nansukura aus Uvira macht dazu eine sehr bewegende Aussage: «Frieden ist für mich der Traum von einem Leben ohne Gewalt.»

Ulrich Bachmann, Connexio hope und develop
Beitragsbild: Seminar zur Rolle der Kirche in der Friedensförderung. (Foto: Jean-Paul Dietrich / Connexio hope und develop)

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