Bezirk
Bild: Stefan Zolliker

Neu in der Kirchenleitung der «Konferier-Kirche»

1. Februar 2023

Ab 1. März wird Stefan Zolliker seine neue Aufgabe als Distriktsvorsteher der Methodistenkirche in der Schweiz übernehmen. Einblick in verschiedene methodistische Gemeinden zu erhalten, sei ein Privileg, sagt er. Manches aus seiner bisherigen Aufgabe als Gemeindepfarrer wird ihm jedoch fehlen. Ein Gespräch.

Stefan, du übernimmst bald neu die Aufgabe als 🔗Distriktsvorsteher. Was sind deine wesentlichen Aufgaben dabei?

Das ist zum einen der direkte Kontakt mit Gemeinden, Pfarrpersonen und Projekten, die ich begleite und fördere. Zum anderen gehört dazu, die Methodistenkirche in der Schweiz zusammen mit dem Vorstand mit zu leiten.

Der erste Bereich hat verschiedene Aspekte: Bezirksversammlungen leiten, Gottesdienste besuchen, in Gemeinden dann und wann präsent sein, Standort- und Fördergespräche mit den Mitarbeitenden. Zu meinen Aufgaben gehört ausserdem ein Auge zu haben auf Projekte und mit dabei zu sein, wenn über Projekte entschieden oder beraten wird.

Auf welche dieser Aufgaben freust du dich besonders?

Auf die Begleitung von Mitarbeitenden freue ich mich. Schon bisher hatte ich das Glück, meistens einen Jugendmitarbeiter zu haben, mit einer Sekretärin zusammenzuarbeiten oder Mentor von jungen Pfarrpersonen zu sein. Ich habe gemerkt, dass mir diese Aufgabe Freude macht: Zu schauen, was einen Menschen weiterbringt, wie er oder sie sich einbringen kann. Wie kann man Leute an unsere kirchliche Kultur heranführen, wie können sie sich hier entfalten und einbringen?

Zum anderen empfinde ich es als ein Privileg, in verschiedene Gemeinden Einblicke zu erhalten, die topmotivierten Leute zu sehen und zu erleben, wie sie Kirche leben, welche Ideen sie haben und wie sie Menschen erreichen. Es ist ein absolutes Vorrecht, quasi mit der Creme unserer Mitarbeitenden Kontakt haben zu dürfen, den Freiwilligen und den Pfarrpersonen, die dieser Kirche ein Gesicht geben.

Gibt es auch Aufgabenbereiche, vor denen du Respekt hast?

Dazu gehört vielleicht die Vielheit und Komplexität: Was man da alles im Auge behalten muss. Doch ich denke zugleich: Hier unterstützt mich das System. Die Leute, die sich gegenseitig brauchen.

Im Moment steht weniger im Vordergrund, was ich fürchte an dieser neuen Aufgabe, sondern mehr, was ich zurücklasse. Das ist in meiner Seele eher noch weiter oben. Manche der klassischen Aufgaben des Pfarramts werde ich nicht mehr haben: Unterricht geben, am Seniorennachmittag einen Input halten, Krankenbesuche… All das sind Gründe, weshalb ich diesen Beruf ergriffen habe. Das tritt nun in den Hintergrund.

Als Distriktsvorsteher hast du eine Leitungsfunktion in der Kirche. Welche Akzente hoffst du dabei setzen zu können?

Wir sind eine «Konferier-Kirche», in der wir sehr viel miteinander reden. Ich habe wenig Weisungsbefugnis, bei der ich entscheiden kann. Vielmehr leiten wir meist im Kollegium. Darauf freue ich mich auch, dass wir uns darüber beraten können, wie Prozesse angestossen werden.

In den Kontakten zu Pfarrpersonen und den Freiwilligen in den Gemeinden hoffe ich, Kreativität entwickeln und fördern zu können – aber uns durchaus ebenso daran zu erinnern, dass wir auch aus alten Quellen gute Sachen schöpfen können.

Ein Anliegen von mir ist es, Druck wegzunehmen – gerade dort, wo etwas kleiner wird und ausläuft. Mir ist es wichtig, dass wir dort, wo wir eine Aufgabe nicht mehr weiterführen können, diese in Würde abschliessen. Gerade in einer Kirche, die kleiner wird, wird immer wieder gefragt: ‹Was haben wir falsch gemacht?› Man hinterfragt sich selbst.

Unter einem geistlichen Gesichtspunkt finde ich, können wir doch zu sagen lernen: ‹Komm, ja, die Dinge verändern sich. Wir müssen das in Würde und mit Respekt gegenüber dem, was war, zuende bringen.› Das ist auch ein Teil meiner Aufgabe.

Worin liegt für dich die Stärke der Methodistenkirche, die es vielleicht neu zu entdecken gilt?

Die Verbindung eines weiten und tiefen Glaubens ist eine der Stärken. Weitblick zu haben, aber auch ganz tief in Christus verwurzelt zu sein. Leute, die sich Christus hingeben, die sich für ihre Mitmenschen, die Gemeinschaft, für Gott engagieren – das ist eine Stärke, die ich an vielen Orten sehe. Auch sozial engagierte Menschen, bei denen der Glaube «in der Liebe tätig» wird. Die sich dann dafür einsetzen, etwas aufzubauen. Das ist eine Stärke.

Zudem hat für mich auch unser «Missionstatement» etwas Knackiges: «Menschen in die Nachfolge Jesu führen, damit die Welt verändert wird».

Klar, die Idee: ‹Wir wollen die Welt verändern› – das ist schon sehr steil und kann sehr schnell müde machen. Doch der Gedanke: Wir setzen auf veränderte Menschen! Wir sind der Überzeugung, dass Menschen miteinander lernen, die von Christus geprägt sind, das ist der beste Beitrag an die Welt! Das finde ich eine schöne Formulierung, der ich auch nacheifere.

Wo siehst du aktuell die grössten Herausforderungen?

Kirche hat Gegenwind. Von verschiedener Seite wird die Kirche hinterfragt. Man sucht angemessene Formen von Gemeinschaft. Das ist keine einfache Phase. Es ist ein Umbruch in der Gesellschaft – auch darin wie Menschen ihren Glauben leben. Spirituell, scheint mir, findet grade ein grosser Wandel statt. Da müssen wir versuchen, uns hineinzustellen.

Etwa wie die persönliche und die gemeinschaftliche Spiritualität verbunden wird,  ist aus einer Selbstverständlichkeit herausgefallen. Methodistinnen und Methodisten, die mit uns unterwegs waren, haben in einer grossen Selbstverständlichkeit an unseren Ritualen und gottesdienstlichen Feiern teilgenommen. Und sie haben ihren Glauben im Alltag gelebt.

Das gibt jetzt viel mehr Diskussionen: Braucht es überhaupt noch Gottesdienste? Braucht es Gemeinschaft? Welche Form von Gemeinschaft braucht es? Da ging ein Stück Selbstverständlichkeit verloren. Die jedoch, die sich einbringen, machen das auch bewusster.

Und wie sind die methodistischen Gemeinden in diesen Fragen deiner Wahrnehmung nach unterwegs?

In Gemeinden, in denen ich eine grosse Lebendigkeit spüre, scheint mir schon, dass neue Formen gefunden wurden dafür, in einer Begeisterung für das Leben mit Christus beieinander zu sein, das Leben zu teilen – und dennoch keine so hohen Ansprüche zu haben aneinander, wieviel Zeit Menschen dann in der Kirche verbringen müssen. Wir sind schon dran, dass sich da etwas neu zusammensetzt.

S.F.
Foto: S.F. / EMK Schweiz

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Zur Person
Stefan Zolliker, verheiratet mit Monika, die als Leiterin der Diakoniegemeinschaft Bethanien tätig ist.
Vier erwachsene Kinder, die alle bereits ausgezogen sind; zur Zeit wohnt bei Stefan und Monika eine 17-jährige Pflegetochter aus der Ukraine.
Nach dem Studium der reformierten Theologie war Stefan Zolliker zunächst als Dorfpfarrer und Klinikseelsorger im Thurgau tätig. Seit 20 Jahren ist er Methodistenpfarrer zunächst in in Thun und dann im Grossraum Zürich. Er hat ein Nachdiplomstudium in Spiritualität absolviert.
Seine Freizeit verbringt er gerne mit Bewegung in der Natur beim Wandern oder Biken.
Distriktsvorsteher
In der «Jährlichen Konferenz» (Synode) Schweiz-Frankreich-Nordafrika sind methodistische Kirchgemeinden regional als «Distrikte» zusammengefasst. Die kirchliche Arbeit in diesen Distrikten wird von einer Distriktsvorsteherin oder einem Distriktsvorsteher beaufsichtigt und begleitet. Diese werden für ihre Aufgabe vom Bischof berufen. Ihre Amtszeit beträgt in der Regel acht, in Ausnahmefällen bis zu zehn Jahren.
Bischof Dr. Patrick Streiff bzw. Bischof Stefan Zürcher und die Distriktsvorsteher:innen bilden das Kabinett. Es ist in Zusammenarbeit mit den zuständigen Kommissionen und Ausschüssen für geistliche Angelegenheiten der Kirche zuständig und befasst sich schwerpunktmässig mit personellen Fragen.
Stefan Zolliker übernimmt als Distriktsvorsteher die Verantwortung für den Distrikt «Nordwestschweiz», zu dem 23 methodistische kirchliche «Bezirke» gehören. Er tritt die Nachfolge von Stefan Zürcher an, der im November 2022 als 🔗neuer methodistischer Bischof für das 🔗Gebiet von Mittel- und Südeuropa gewählt wurde und sein neues Amt am 1. Februar 2023 angetreten hat.