Die ausdauernde Hilfe zehrt an den Kräften
27. April 2023
«Stabil». «Unverändert». – Es sind solche Adjektive, die immer wieder zu hören sind, wenn die Koordinatorinnen für die Arbeit der Methodistenkirche mit Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, die Lage in ihren jeweiligen Ländern einzuschätzen versuchen. Das birgt auch Schwierigkeiten.
Es sind vergleichsweise wenige Menschen, die in diesen Tagen und Wochen neu aus der Ukraine in Polen, Tschechien, Ungarn oder Rumänien ankommen, um vorübergehend zu bleiben oder weiterzureisen. Auch in der Westukraine sei die Zahl der neu ankommenden Binnenvertriebenen auf relativ tiefem Niveau, sagt Yulia Starodubets, Pfarrerin der methodistischen Kirche in der Ukraine. Kirsten Hastrup, Assistentin des für die dortige methodistische Kirche zuständigen Bischofs Christian Alsted, macht in den skandinavischen Ländern ähnliche Beobachtungen.
In geordneten Bahnen
Stabil, unverändert – das tönt zunächst positiv. Denn es bedeutet, dass viele Dinge zwar nach wie vor Kraft brauchen, aber eben auch in einigermassen geordneten Bahnen laufen. Viele Menschen, die aus der Ukraine in die Nachbarländer geflüchtet sind, haben inzwischen eine eigene Wohnung gefunden und eine Arbeitsstelle. Sie sind Teil der jeweiligen Gesellschaft geworden.
An den Krieg gewöhnt
Doch «stabil» oder «unverändert» bedeutet eben auch, dass sich die Situation in der Ukraine noch nicht so präsentiert, dass an eine Rückkehr im grossen Stil gedacht werden könnte. Friede, das Aufblühen neuen Lebens, der Beginn einer neuen Zukunft lassen noch auf sich warten. Der grausame Krieg, Zerstörung, Tod und Leid haben auch nach 14 Monaten noch kein Ende gefunden. Jana Krizova, Pfarrerin und Koordinatorin in Tschechien, wies in einem Online-Gespräch einmal mehr auf das hin, was sie immer wieder beobachte, dass viele sich an den Krieg gewöhnten.
Engagiert bis zur Erschöpfung
Sie sei von Herzen dankbar, so Jana Krizova, dass die Menschen in der methodistischen Kirche der unveränderten Situation nicht gleichgültig gegenüberstünden, sondern nach wie vor mit Empathie und Engagement täten, was nötig sei. In den übrigen Ländern ist dies nicht anders. Auch wenn vor allem Yulia Starodubets darauf hinwies, dass der Druck, der besonders auf jenen laste, die sich seit Beginn des Krieges für Menschen in Not einsetzen, da und dort zu gesundheitlichen Problemen führe. Als Folge davon benötigten die Menschen, die helfen würden, selber psychologische und seelsorgerliche Hilfe.
Beten und helfen
Noch immer gehen das Gebet für Frieden, die Bitte um Schutz für die geflüchteten und vertriebenen Menschen und die konkrete Hilfe auf eine so wirksame wie ermutigende Weise Hand in Hand – egal ob in Polen, Tschechien, Ungarn, Rumänien oder der Ukraine selbst.
Hilfe in der Ukraine
In Tschechien geht die Begleitung von Ukrainer:innen weiter, die im Land Zuflucht gefunden haben. In Zusammenarbeit mit Methodist:innen in der Slowakei werden sporadisch auch Hilfsgüter in die Westukraine gebracht. Schwerpunkt der Aktivitäten ist aber je länger je mehr die Unterstützung zweier Organisationen in der Westukraine, die einen Ort der Zuflucht, der psychologischen Unterstützung und auch der allgemeinmedizinischen und chirurgischen Hilfe anbieten.
Teils weniger Hilfstransporte
In Rumänien sind die Gemeinschaftszentren mit ihren vielfältigen Angeboten zu einem wichtigen Anker für aus der Ukraine geflüchtete Menschen geworden so Sarah Putman, die als Koordinatorin tätig ist. Auch die regelmässige Organisation von Hilfstransporten in die Ukraine werde fortgesetzt. Solche Transporte gebe es auch nach wie vor in Polen, wie die Koordinatorin Szarlota Kaminska sagte. Allerdings sei der Umfang im Vergleich zum letzten Jahr spürbar zurückgegangen.
Hilfe zur Trauma-Bewältigung
Von zunehmender Bedeutung ist die Hilfe für traumatisierte Menschen. Dies ist in Rumänien so und erst recht in der Ukraine selbst. Die methodistische Kirche in der Ukraine wird deshalb dank der Hilfe von UMCOR, dem Hilfswerk der weltweiten Methodistenkirche, in Uzhhorod eine Liegenschaft kaufen, die Zufluchtsort für Binnenvertriebene werden soll sowie ein Ort der Erholung und der Gemeinschaft. Auch psychologische Unterstützung und Hilfe bei der Trauma-Bewältigung sollen dort angeboten werden.
Teuerung stellt vor Probleme
In Ungarn setzt sich die methodistische Kirche auf besondere und vielseitige Weise für Ukrainer:innen ein, die in einem grossen Camp in der Nähe von Debrecen eine Bleibe gefunden haben. Auch Hilfstransporte würden weiterhin organisiert. Boglarka Khaled, die Koordinatorin der Arbeit, wies aber auch darauf hin, dass eine negative Entwicklung, zu der der Krieg in der Ukraine beiträgt, auf schmerzliche Weise längst auch die ungarische Bevölkerung erreicht habe: Eine starke Teuerung, die viele materiell arme Menschen vor existenzielle Probleme stellt.
Staat streicht Unterstützung
In einigen der Länder zeichnet sich zudem ab, dass die Bereitschaft zur staatlichen Hilfe nicht mehr uneingeschränkt vorhanden ist. Was Jana Krizova für Tschechien nur als Inhalt von Gerüchten bezeichnete, ist in Rumänien schon Realität geworden: Die staatliche Unterstützung für Miete und Lebensmittel wird erheblich gekürzt oder im Mai 2023 sogar ganz eingestellt werden. Dies bedeutet, dass sich die aus der Ukraine geflüchteten Menschen erneut Gedanken darüber machen müssen, was sie tun sollen – ob sie bleiben können, wo sie sind, und andere Mittel zur Bezahlung finden, oder ob sie sich irgendwo eine günstigere Wohnmöglichkeit suchen müssen.
Hoffnung trägt weiter
Doch auch wenn der Weg noch lange sein mag und noch so manche Herausforderung auftauchen wird – in den Berichten der Koordinatorinnen blitzt immer wieder auch eine Hoffnung auf. Eine Hoffnung, die ganz besonders in vielen international und mehrsprachig gefeierten Ostergottesdiensten genährt worden ist. Eine Hoffnung, die die Menschen auch über den Horizont des Erkennbaren hinaus auf Gott vertrauen lässt. Eine Hoffnung, die damit rechnet, dass das Leben siegen wird.
Urs Schweizer, Assistent der Bischöfe Patrick Streiff und Stefan Zürcher, Zürich anhand der Berichte der einzelnen Länderkoordinatorinnen in einem Zoom-Meeting.
Beitragsbild: Kinder in in einem grossen Camp in der Nähe von Debrecen (Ungarn). Die methodistische Kirche bringt unter anderem regelmässig Hilfsgüter in dieses Lager. (Foto: Üllas Tankler)
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