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Bild: Festgemeinde in Gerlafingen

Nach 100 Jahren noch immer ein lebendiger Ort der Begegnung

27. September 2023

In Gerlafingen feierte die methodistische Kirchgemeinde am 24. September das 100-jährige Bestehen ihrer Kapelle.

In einem von einer Band musikalisch umrahmten Familiengottesdienst zum Thema «Hausbau» erhielten die Gottesdienstbesucher:innen Einblick in die Geschichte und das bewegte Leben der methodistischen Gemeinde. Dabei kamen auch einige ehemalige Pfarrpersonen zu Wort. Bischof Stefan Zürcher nahm in einer kurzen Predigt auf Gott als unseren Felsen Bezug und ermutigte die Gemeinde, sich nicht zu sorgen und Versöhnung zu leben.

Feiern, geniessen, erleben

Unter den über 100 Besucher:innen befanden sich viele ehemalige Mitglieder der Gemeinde. Bei einem Zmittags- und Dessertbuffet, das vom Gemeindepräsidenten eröffnet wurde, genoss man die Gemeinschaft und tauschte rege Erinnerungen aus. Auch Spiel und Spass kamen am Nachmittag bei Glücksrad, einem Quiz, Schokokuss-Schleuder und Ausprobieren von kuriosen Fahrzeugen nicht zu kurz. Wer es lieber gemütlich mochte, konnte beim Kaffeemobil einen feinen italienischen Kaffee geniessen.

Der Versammlungssaal wird zu eng

Gemäss Protokollen fanden in Gerlafingen um 1882 die ersten regelmässigen methodistischen Versammlungen in Häusern oder draussen statt. 1897 wurde eine Sonntagsschule gegründet, die nach einem Jahr schon von über 150 Kindern besucht wurde.

Um 1900 liess Salomon Lüssi, Schlosser und späterer Werkführer bei Von Roll, ein Haus mit einem Saal für Gottesdienste bauen. Schon nach einigen Jahren wurde der Platz im Saal zu knapp. Von 1916 wird berichtet: «Die Besucher sassen und standen wie Heringe zusammengepfercht und hielten trotz bedenklicher Luft dennoch treu aus.»

Die «Jubilarin»: Kapelle der Methodist:innen in Gerlafingen (Foto: zVg, privat)

Neubau für eine wachsende Gemeinschaft

1922 konnte dann schliesslich der Bauplatz an der Schulhausstrasse gekauft, eine Kapelle gebaut und am 31. Dezember 1923 mit einem festlichen Gottesdienst eingeweiht werden. Die neue Kapelle löste grosse Begeisterung aus. In den kommenden Jahren stiessen viele neue Leute zur Gemeinde.

Ein seltsamer Gast

In den frühen 1980er Jahren, als Johann Ottersberg in Gerlafingen Pfarrer war und es an Platz für die Jugendlichen mangelte, erlebte die Gemeinde ein «wahres Märchen»: Eines Morgens trat ein Ottersberg unbekannter Mann in die Kapelle. Er grüsste kurz und nahm sofort den Gottesdienstsaal in Augenschein.

«Ein Wandteppich würde sich dort noch gut machen», meinte der fremde Gast, worauf Ottersberg pragmatisch erwiderte, dass er lieber einen Keller für die Jugendlichen hätte. «Eine Orgel wäre auch noch schön», ging es weiter und Ottersberg entgegnete, dass die Sanierung der WC-Anlagen dringender wäre.

Grosszügige Sanierungsarbeiten

Es folgte ein munteres Hin und Her, bis sich der Unbekannte schliesslich als Paul Sigrist vorstellte. Er habe in der methodistischen Kirche jahrelang die Sonntagsschule besucht. Dies habe ihm einen guten Boden gegeben. Er sei nun ein Unternehmer und reich beschenkt. Gerne würde er als Dank etwas zurückgeben. Alles, was Ottersberg vorgeschlagen habe, könne ausgeführt werden. Er wolle alles bezahlen.

So kam es, dass die Kirchgemeinde ihre Kapelle sanieren und einen Anbau realisieren konnte. Die Jugendlichen erhielten ihren «Bunker». Auch eine Orgel wurde eingebaut und eine Glocke für den Turm gegossen. In letztere wurde eine Widmung für Salomon Lüssi eingraviert, der Paul Sigrists Sonntagsschullehrer gewesen war.

In Dorfgemeinschaft eingebunden

In den 100 Jahren ihres Bestehens hat die methodistische Kirchgemeinde in Gerlafingen viele Hochs und Tiefs erlebt. Viele Menschen gingen in der Kapelle ein und aus, investierten sich in Menschen und Projekte und wurden selber geprägt. Was über die Jahre gleich geblieben ist, ist die enge Verknüpfung mit dem Dorf.

Johann Ottersberg beschreibt dies so: «Seit dem ersten Tag in Gerlafingen gehörte ich gemeinsam mit den Pfarrern der Reformierten und der Katholischen Kirche zum Pfarrerteam im Dorf. Verschiedene Anlässe wie die Adventsfeier für Senioren (200 bis 300 Besucher) oder die Altleutenfahrt mit 5 Cars wurden gemeinsam durchgeführt.» Bei schlimmen Ereignissen war man gemeinsam zugegen.

Intergration lernen

Auch Pfarrer Stefan Moll, von 1993 bis 2003 in Gerlafingen tätig, erzählt begeistert von der Zusammenarbeit zwischen den Kirchgemeinden und der politischen Gemeinde: «Es hatte so viele tolle Persönlichkeiten im Dorf und in der EMK. Man engagierte sich gemeinsam und vertraute einander.» Deutschkurse wurden initiiert und der Jugendtreff des Dorfes fand in den Kellerräumen der methodistischen Kirche statt.

«In Gerlafingen habe ich gelernt, was Integration bedeutet», meint Stefan Moll am Jubiläumsfest. Weiter entstand der Bibelweg von Gerlafingen nach Utzenstorf, bei dem man im Jahr 2000 startet und mit jedem Meter, den man erwandert, ein Jahr weiter in die Vergangenheit eintaucht.

Gemeinsamer Versöhnungsanlass

Sehr prägend war auch der Versöhnungsanlass, den alle drei Kirchgemeinden nach den Ereignissen am 11. September 2001 in kurzer Zeit gemeinsam mit der muslimischen Gemeinde organisierten, nachdem muslimische Kinder auf der Strasse angepöbelt worden waren. Der Anlass wurde von sehr vielen Leuten besucht und mitgetragen.

Im Jubiläumsjahr 2023 platzte die Kapelle der Methodis:innen bisher nur am Jubiläumsfest aus allen Nähten. Sie hat aber wie schon in ihren Gründungsjahren sehr engagierte und motivierte Mitglieder.

Teil einer aufblühenden Gesellschaft

Linda Schärer, seit 2022 mit einem Teilpensum als Gemeindemitarbeiterin angestellt, freut sich, dass im letzten Jahr wieder neue Aktivitäten entstanden sind. Beispielsweise «Bible and Wine», ein gemütlicher Abend mit Tiefgang für Männer. Zudem konnten beliebte Anlässe wie die «Oase» für Frauen oder das Weihnachtsbasteln für Kinder nach den Corona-Massnahmen wieder aufgenommen werden.

«Wir wünschen uns, dass wir begeistert und inspiriert den Glauben leben und dass unsere Gemeinde ein lebendiger Ort der Begegnung sein darf», sagt Linda Schärer. «Es ist unser Wunsch, dass die EMK ihre Verantwortung als Teil des Dorfes wahrnimmt und wir – so wie es in unserer Vision steht – weiterhin unseren Teil dazu beitragen können, dass die Gesellschaft aufblüht.»

Damaris Caduff
Beitragsbild: Festgemeinde und Lobpreisband in der Kapelle der Methodist:innen in Gerlafingen. (Foto: zVg, privat)

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