Rund 50 Personen fanden sich am 25. November zum 5. Forum Spiritual der Methodisten in der methodistischen Kirche Zürich Ost ein. Neben Methodisten aus der Schweiz waren auch einige Personen aus anderen Kirchen zur Tagung gekommen.
Die Verantwortlichen hatten als Referenten Dr. Christoph Raedel eingeladen, der seit 2014 als Professor für Systematische Theologie und Theologiegeschichte an der Freien Theologischen Hochschule Gießen lehrt. Er führte die Teilnehmer in zwei Referaten in die Debatten um die Vielfalt sexueller Orientierungen und Identitäten und deren Beurteilung aus biblischer Sicht ein. Die Teilnehmer hatten nach den beiden Referaten jeweils Gelegenheit, in kleinen Gruppen anhand von Fragen über das Gehörte auszutauschen. Anschliessend konnten sie im Plenum noch einmal Rückfragen stellen.
Geschichte der Gender-Bewegung
Am Vormittag gab Christoph Raedel im ersten Teil seines zweiteiligen Referats einen sachlich historischen Überblick über die Gender-Bewegung und die Hintergründe von aktuellen soziologischen Entwicklungen in der Gesellschaft. Anfänglich sei es dabei vor allem um soziale Gerechtigkeit, die Gleichstellung von Frauen und die Antidiskriminierung von Minderheiten gegangen, führte er aus. Heute stünden dagegen oftmals sexuelle Freizügigkeit und sexuelle Vielfalt im Vordergrund. Das «biologische Geschlecht» verliere zunehmend an Bedeutung und werde durch eine übergeordnete «Geschlechtsidentität» ersetzt.
Freiheitsversprechen
Im Vordergrund stehe das «sexuelle Empfinden» des Individuums. Dies beruhe nicht zuletzt auf der Annahme, dass die «sexuelle Empfindung» eines Menschen per se gut ist und gegenüber dem Geburtsgeschlecht einen übergeordneten Vorzug haben soll. «Transidentitäten sind die aktuell radikalste Form eines Freiheitsversprechens», sagte Christoph Raedel. Es verheisse, auf diese Weise frei werden zu können von den Festlegungen des angeborenen (Geschlechts-)Körpers.
Verstehen, was ist
Christoph Raedel sei es gelungen, den geschichtlichen und soziologischen Kontext der Gender-Bewegung aufzuzeigen, sagt Rolf Nussbaumer. Der Methodist aus Herisau war mit einem Feund aus seiner Kirchgemeinde zusammen nach Zürich gefahren. «Christoph Raedel hat die geschichtlichen Fragmente zusammengefügt und in die aktuelle Situation eingebettet, damit deutlich wird, warum diese Bewegung heute so ist.»
Misstrauen gegen Gott
Im zweiten Teil seines Referats am Nachmittag beleuchtete Christoph Raedel «Identität, Beziehung und Sexualität im Licht des Wortes Gottes». Sünde fasste der Theologe generell als «Ausdruck des Misstrauens» gegenüber Gott. «Wir trauen Gott nicht zu, dass Gott uns gibt, was wir wirklich brauchen – auch ohne darum zu wissen –, und stellen die Sehnsucht nach Intimität und Sexualität allem anderen voran.» Die tiefste und grundlegende Sehnsucht des Menschen könne jedoch nur durch Jesus gestillt werden.
Jesus bestätigt die Ehe
Bei der Begegnung mit Menschen generell und im Kontakt mit Personen der LGBTQ-Community im Besonderen gehe es nicht in erster Linie um Vorschläge oder Ratschläge, sondern darum, Jesus anzubieten. «Jesus bestätigt die Ehe von Mann und Frau als Lebensordnung für den Menschen», bekräftige Christoph Raedel. «Nicht gleichgeschlechtliche Beziehungen, sondern das Leben in sexueller Enthaltung erhält Verheissungscharakter.»
Die entscheidende Frage
«Ich habe bei Christoph Raedel ein ernsthaftes Ringen gespürt, ein Suchen, sich Auseinandersetzen, eine Ehrlichkeit», sagt Rolf Nussbaumer im Blick auf diesen zweiten Teil. Für ihn zentral sei die Frage gewesen, die Christoph Raedel in diesem Zusammenhang an die Teilnehmer gerichtet hat: «Was hast du für eine Beziehung zu diesem Jesus? Ist der wirklich noch die erste Liebe und das Wichtigste in Deinem Leben?» Das sei für ihn die entscheidende Frage. «Im Kern geht es letztlich um Jesus und meine Beziehung zu ihm.»
Grosser Leidensdruck
Auch den Austausch in den Gruppen hat Rolf Nussbaumer als sehr offen und ehrlich erlebt. Am Vormittag etwa erzählte eine Teilnehmerin in der Kleingruppe von dem enormen Leidensdruck einer ihr nahe stehenden Gymnasiastin. In ihrer Klasse sei es gefordert, dass sich Lehrer auf «fluide Identitäten» konsequent einzustellen hätten, dann nämlich, wenn sich solche Personen durch die Verwendung spezifischer Armbändeli als «fluide Person» (fliessender Wechsel ihrer Geschlechterwahl) outeten. Ein solcher Wechsel könne täglich mehrmals erfolgen.
Die Diskussionen in der Gruppe an Nachmittag seien ebenfalls anregend gewesen. Die Teilnehmer diskutierten über die Fragen: Wie kann eine am Evangelium von Jesus Christus orientierte Weise des Umgangs mit Angehörigen sexueller Minderheiten in unseren Gemeinden aussehen? Welche Differenzierungen sind vielleicht nötig?
Wichtige Ergänzung
Als er Leuten in der Gemeinde in Herisau von dem Tag und diesen Fragen erzählt habe, sei noch eine weitere hinzugekommen, berichtet Rolf Nussbaumer. Jemand habe ergänzt: «Wie gehen wir als Gemeinde damit um, dass ein Teil der Geschwister in Jesus – auch hier in Herisau – eine andere Sicht und Haltung zu dieser Frage haben?» Das sei eine sehr wichtige Ergänzung, ist auch Rolf Nussbaumer überzeugt.
Ein ermutigender Tag
«Ich persönlich habe den Tag als sehr ermutigend und glaubensstärkend erlebt», sagt er im Rückblick. Die authentischen Begegnungen und Gespräche mit Glaubensgeschwistern hätten seinen Horizont geweitet. «Es war ein Tag mit Aufforderungscharakter: Entschlossen, demütig und unbeeindruckt auf Jesus zu schauen, in einer zutiefst zerrissenen und gespaltenen Welt und Kirche und weiterhin für meine Gemeinde und die Kirche im Gebet einzustehen.»
S.F.
Beitragsbild: Die Teilnehmer des Forum begannen den Tag mit einer gemeinsamen Zeit des Lobpreises und des Gebets. (Foto: Stefan Schnegg)
Ausführlicher Bericht von Rolf Nussbaumer (PDF)
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