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Die Schweiz, der Sklavenhandel und die KOVI

2. Juli 2020

Die Schweiz war nie eine Kolonialmacht. Dennoch profitierten auch hier Institutionen, Unternehmen und Familien vom Sklavenhandel. Angeregt durch einen Zeitungsartikel begibt sich der methodistische Bischof Patrick Streiff auf eine Spurensuche. Er entdeckt dabei methodistische Spuren – und schlägt den Bogen zur «Konzernverantwortungsinitiative».

Die weltweiten «Black Lives Matter»-Demonstrationen haben die Ungleichbehandlung von Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, Herkunft und Rasse unvermittelt zu Topaktualitäten gemacht. Die Schweiz war nie eine Kolonialmacht. Sklaverei wie in Ländern Nord- und Südamerikas, Afrikas oder Asiens gab es nie. Schon im ausgehenden Mittelalter und der Reformationszeit lockerte sich die Leibeigenschaft der einfachen Schweizer Landbevölkerung von Kanton zu Kanton.

Tief ins Unrecht verflochten

Umso überraschter war ich, in einem Artikel in der NZZ zu lesen, wie auch Schweizer Kantone, Unternehmen und Familien bis ins 19. Jahrhundert vom transatlantischen Sklavenhandel profitierten. Der Zeitungsartikel beschreibt zum Beispiel, dass der Kanton Bern zeitweise der grösste Aktionär einer britischen Handelsgesellschaft war, die Sklaven aus Afrika nach Südamerika verkaufte. Bedeutende Schweizer Familien waren vor allem über den Textilhandel oder als Kapitalgeber mit dem Menschenhandel verflochten. Es gab Sklavenschiffe, die Namen trugen wie «La Ville de Lausanne», «Le Pays de Vaud» oder «L’Helvétie».

Widerstand aus kirchlichen Kreisen

Vor allem kirchliche Kreise hätten sich gegen den Sklavenhandel ausgesprochen, heisst es in dem Beitrag. Erwähnt wird der  Name des Waadtländer Pfarrers Benjamin-Sigismond Frossard.  1789 hat dieser ein zweibändiges Werk gegen den Sklavenhandel vor allem im Kontext von Frankreich verfasst.

Der Name kam mir bekannt vor, aber von der Schrift las ich zum ersten Mal. Auf den Namen war ich gestossen, als ich vor Jahren über den ersten Schweizer forschte, der Methodist wurde: Jean Guillaume de la Fléchère aus Nyon. Als de la Fléchère 1770 als Weggefährte und Freund der Brüder Wesley und als anglikanischer Pfarrer seine Heimatstadt besuchte, machte sein Wirken grossen Eindruck in der Bevölkerung. Ein junger Mann entschied sich daraufhin, Theologie zu studieren: Das war Benjamin Sigismond Frossard. Es ist nicht belegt, ob die beiden später noch einmal einen Kontakt miteinander hatten. In der Schrift von Frossard wird jedoch unter den vehementen Gegnern des Sklavenhandels in England auch John Wesley genannt.

Heute verantwortlich handeln

Ob man aus der Geschichte lernen kann? Die Ungleichbehandlung von Menschen unterschiedlicher Hautfarbe, Herkunft und Rasse entlädt sich in den «Black Lives Matter»-Protesten. Herausforderungen lassen sich aber auch erkennen in den wirtschaftlichen Verknüpfungen der heutigen Schweiz. Eine Frage, die sich schon bald allen Stimmberechtigten stellen wird, betrifft die Volksinitiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt» (Konzernverantwortungsinitiave). Ich versuche, aus der Geschichte zu lernen. Ich werde mich weiterhin dafür einsetzen, dass Schweizer Firmen auch im Ausland Menschenrechte und allgemeine Umweltstandards einhalten müssen.

Patrick Streiff / S.F.
Beitragsbild: commons.wikimedia.org / public domain («Auf Deck eines Sklavendampfers im Kongogebiet» – Fotografie von Sklaven auf dem Oberdeck eines Schiffes)

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