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Staying connected: Das methodistische Modell

2. August 2022

Nach fast zwanzig Jahren ist die Zeit am Lehrstuhl für Kirchengeschichte, Methodismus und Ökumenik für die bisherige Lehrstuhlinhaberin Ulrike Schuler Geschichte. Am 28. Juli wurde sie an der Theologischen Hochschule Reutlingen (THR) der Evangelisch-methodistischen Kirche (EMK) in den Ruhestand verabschiedet. Mit ihrer Abschiedsvorlesung erinnert sie an das Modellhafte des methodistischen Kircheseins. Das Kirchenmodell weckt auch ökumenisches Interesse.

Ihre Abschiedsvorlesung stellte Schuler unter den Titel «Staying connected: ein methodistisches Lebens- und Kirchenmodell». Zum Auftakt präsentierte sie das methodistische Kirchenmodell im ökumenischen Dialog mit anderen Traditionen wie dem Katholizismus und den evangelischen Landeskirchen in Deutschland. Besonders das Interesse von römisch-katholischer Seite angesichts des aktuellen Fortgangs des «Synodalen Wegs» ließ dabei aufhorchen.

Konnektivität als Modell

Angesichts dieses Interesses «von außerhalb» betonte Schuler, dass die methodistische «Konnektivität», also die Verbundenheit von Theologie und Spiritualität sowie die Verbindung zwischen Theorie und Praxis für das methodistische Modell von Kirche typisch sei. Das gelte für alle Formen der Diskussion und Urteilsfindung innerhalb der Evangelisch-methodistischen Kirche und auch für Kirchenpolitik in Krisenzeiten. Strukturfragen, so die scheidende Professorin, seien zu allen Zeiten der methodistischen Bewegung wichtig gewesen. Noch wichtiger sei es jedoch, die methodistische Identität immer wieder neu als konnexionales Verhältnis zu definieren. Dies erfolge maßgeblich jedoch nicht auf Konferenzen, sondern unter den Mitgliedern, denn Kirche wachse von unten als geistliche Gemeinde.

Methodistische Mission mit therapeutischer Wirkung

Diese Verbundenheit erweise sich neben der persönlichen Verbindung eines Menschen mit Gott immer auch in der Verbindung der Menschen einer Gemeinde untereinander. Diese befähigten und sendeten sich gegenseitig, erklärte Schuler weiter. Gerade dieser letzte Aspekt sei wesentlich auf John Wesley und sein immenses Sendungsbewusstsein zurückzuführen. Dabei sei es ihm nicht um den Anspruch globaler Macht gegangen. Vielmehr habe Wesley darin das Prinzip gemeindlicher und persönlicher Mission gesehen.

Grundlagen des Kirchenverständnisses

Das habe in den Anfangszeiten methodistischer Mission geradezu therapeutische Wirkung entfaltet. Besonders die Arbeiterschicht profitierte von der methodistischen Bewegung, indem die damals abgehängten Menschen eingebunden wurden, Ausbildung und Weiterbildung erfuhren, ihre Gaben gefördert wurden und sogar Beauftragung und Aussendung in neue Lebens- und Aufgabenbereiche erfuhren. Das, so die Professorin, seien die Grundlagen von Wesleys Kirchenverständnis.

Was methodistische Identität ausmacht

Hinzu komme das für «Methodisten weltweit» geradezu selbstverständliche «Holy Conferencing», also die intensive Diskussion aller Fragen und Aufgaben bei gemeinsamen Treffen als Konferenz. Nur dort sei der Ort für die Beratung und Beschlussfassung zu allen Fragen der Lehre, der Ordnung des Miteinanders und der Überlegungen zur Mission der Kirche. Grundlegend sei dafür die Beteiligung aller Anwesenden und die Tatsache, dass die Ergebnisse solcher Beratungen nicht der Richtungsentscheid eines Führungsgremiums seien.

Schuler betonte ausdrücklich, dass für Wesley und seine Zeitgenossen der Begriff der Konnexio, also das Verständnis von Gemeinschaft und Kirche als Verbund, identisch sei mit dem Wesen und der Daseinsform der Kirche. Konnektivität sei also nicht nur «ein methodistisches Strukturprinzip», sondern sei das grundlegende Kennzeichen methodistischer Identität.

Reform von unten her denken

So ist auch ihr Fazit zu verstehen: Angesichts aktueller Diskussionen über Strukturveränderungen für den deutschen Teil der Evangelisch-methodistischen Kirche und angesichts anhaltender Diskussionen in der weltweiten EMK über Reformen der kirchlichen Organisation und über theologische Streitfragen sei es nötig, «aus kritischer Distanz» mit einer aktuellen Praxisanalyse nachzudenken, um dann Veränderungen einzuleiten. «Aber», so betonte die angehende Ruheständlerin, «ich möchte bei allem geschäftigen Eifer auch dazu Mut machen, den Weg der Reform von unten her zu denken und ins Gespräch bringen: Die Reflexion der Schlichtheit des Anfangs und Zentrums christlicher Mission.»

Anerkennung über die eigene Kirche hinaus

Mit Witz und Tiefgang würdigte Christof Voigt, der Rektor der Hochschule, die Leistungen und Errungenschaften Schulers. Dazu gehörten ihre akademischen Leistungen und ihr Wirkungskreis weit über den Bereich der Reutlinger Hochschule hinaus, aber auch ihr bahnbrechender Einfluss als erste Frau im Kollegium, und nicht zuletzt ihre Anerkennung, die sie in der Zunft der historischen Forschung innerhalb des weltweiten Methodismus erfährt.

Beitrag: Dr. Christoph Schluep, Professor für Neues Testament an der Theologischen Hochschule Reutlingen und Klaus Ulrich Ruof, Pressesprecher der EmK Deutschland
Beitragsbild: Christoph Schluep

Informationen zu Prof. Dr. Ulrike Schuler

 

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