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Briefumschlag

Schöngefärbte Tröstungen

7. Mai 2020

Zu Kirche und Welt 05/2020, S.5 «Christus war auch in Auschwitz»

Ob und wie ein Trost den Menschen zukam, können spätere Generationen rückwirkend nicht entscheiden. Es wirkt auf mich übergriffig und anmassend, einen solchen Satz über den KZ-Besuchsbericht zu stellen.
Das aufgefundene Kreuz auf dem Gleis mag dekorativ sein. Doch wie sollten die Gequälten erlebt haben, dass Christus mit ihnen zur Rampe ging und mit ihnen sein Kreuz teilte? Mystisch? Verborgen? Unwissend? Das macht auch die Deutung von Joh.1,14 nicht besser.
Natürlich gab es bewegende Glaubensgeschichten im KZ. Doch die Mehrheit musste hinnehmen, dass der Rassenwahn zu ihrem bitteren Ende führte. Schöngefärbte Tröstungen sind hier äusserst heikel.
Das eine Kreuz hatte auf den Fahnen damals vier Haken. Das andere Kreuz der Kirchen war besudelt von den sogenannten «Deutschen Christen». Könnten wir einen solchen Artikel im Gespräch mit heutigen Juden lesen, im Gedenken an ihre verstorbenen Vorfahren? Mehr Zurückhaltung wünschte ich mir.

Andreas Schaefer, Pfarrer, Horgen

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