Bezirk

Christus war auch in Auschwitz

31. März 2020

Zu Kirche und Welt 4/2020 – S.8-11

Die EMK Deutschland bietet alle zwei Jahre eine Erinnerungsfahrt zur Gedenkstätte Auschwitz an, so auch im Oktober 2018. Mit grossem Respekt habe ich mich angemeldet. Aber ich wollte mich bewusst dieser belastenden Vergangenheit stellen. Als Vorbereitung habe ich mich intensiv mit diesem Unbegreiflichen auseinandergesetzt. An Ort und Stelle realisiere ich, dass man 20 Bücher über Auschwitz lesen kann; da zu sein ist dann nochmals etwas anderes. Denn ich stehe in tiefer Scham betroffen plötzlich am finstersten Ort der Menschheit, auf der grossen «Verlade-Rampe» vom KZ Auschwitz / Birkenau.

Nach einer langen Fahrt in einem Viehwagen, zusammengepfercht ohne frische Luft und Wasser, kamen die Deportierten hier mitten im Lager an. Mit feinen Leder-Handschuhen wurde hier blitzschnell eine trennende Einteilung von «links oder rechts» vorgenommen.
Dann ging es schnell zur Sache mit schikanösen Entwürdigungen und keinem Recht auf Leben. – Erschrocken realisiere ich, dass hier eine menschenverachtende Geschichte geschrieben wurde mit vielen Zuschauern, auch aus der Schweiz.

Auf den Bahnschwellen, die sich zum Teil bereits zersetzen, gehe ich nachdenklich auf und ab. Wenn sie, zusammen mit den Schottersteinen, erzählen könnten, was sie alles gesehen und gehört haben!! Ich visiere sie ganz bewusst und plötzlich stehe ich vor einem losen Schwellenteil, das aussieht wie ein deformiertes Kreuz.
Blitzartig geht es mir durch den Kopf: «Christus war auch in Auschwitz!» Er hat sich eingereiht in die namen- und würdelosen Deportierten. Er ist mit ihnen hier an diesem dunklen Ort angekommen, hat den Weg des Schmerzes, der Demütigung und des Todeskampfes am Kreuz mit ihnen geteilt. Damit hat er ihnen den Namen und ihre Würde zurückgegeben. Die Aussage von «Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns» (Joh 1, 14) bekam hier am diesem Ort des Schreckens eine ganz neue Bedeutung.

Es war für mich ein Funken von österlicher Hoffnung in dieser traurigen Hoffnungslosigkeit! Nun steht dieses Christus-Kreuz auf einem Schotterstein, der direkt daneben lag, in unserer Wohnung. Es bedeutet mir sehr viel und ist mir zu einem «Markstein gegen das Vergessen» geworden. Mit diesem Markstein kann ich das Unbegreifliche besser ertragen.

Max Huber

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