John und Charles Wesley
Die Anfänge der methodistischen Bewegung
Die Anfänge der methodistischen Bewegung verbinden sich mit den Brüdern John und Charles Wesley. Diese wollten zunächst im 18. Jahrhundert der Kirche von England zu neuer Vitalität verhelfen. Sie förderten dazu persönliche Gotteserfahrungen in Verbindung mit tatkräftiger Fürsorge für Arme und Bedürftige. Zur raschen Verbreitung verhalfen der Bewegung ihre für die damalige Zeit kreativen und innovativen Formen der Evangelisation. Zudem förderten sie Grosszügigkeit im Umgang mit anderen Christ:innen. Die junge Bewegung organisierten die Wesleys durch eine geschickte Kombination aus kleinen, familiären Gruppen und grossen, öffentlichen Versammlungen.
Die Brüder Wesley und der «Holy Club»
John und sein jüngerer Bruder Charles studierten Theologie an der Universität in Oxford. Nachdem John sein Studium abgeschlossen und als anglikanischer Pfarrer ordiniert worden war, versah er eine Zeitlang pfarramtliche Aufgaben in der Kirchgemeinde, in der sein Vater Pfarrer war. Später kehrte er nach Oxford zurück, wo er unter anderem mit einer Lehrtätigkeit betraut wurde.
Dort schloss er sich seinem Bruder Charles und einer Gruppe ernsthafter Studenten an. Die Gruppe feierte regelmässig das Abendmahl, las gemeinsam in der Bibel und fastete regelmässig.
Von den Mitstudenten wurden sie «Heiliger Club» oder «Bibelmotten» und aufgrund ihrer «methodischen» Frömmigkeit spöttisch als «Methodisten» bezeichnet. Diesen Spottnamen eigneten sich die Gruppenmitglieder an und gebrauchten ihn als Ehrennamen. Die «Leute, die man ‹Methodistinnen und Methodisten› nennt» wurde zur Bezeichnung für die entstehende Bewegung.
Die Gruppe begann sich sozial zu engagieren. Sie besuchten Gefangene in Oxford, brachten ihnen das Lesen bei, bezahlten ihre Schulden und versuchten, eine Beschäftigung für sie zu finden. Sie begannen auch den armen Leuten zu helfen. Sie verteilten Lebensmittel, Kleidung, Medikamente und Bücher und leiteten eine Schule. – Diese sichtbaren Wirkungen ihres Glaubens nannten sie «Heiligung».
Wendepunkt zur persönlichen Gewissheit
Bei einer Veranstaltung am 24. Mai 1738 machte John eine besondere Erfahrung. Martin Luthers Vorrede zum Römerbrief wurde dort verlesen und »plötzlich«, so berichtet er, wurde es ihm »seltsam warm ums Herz«. Ab diesem Moment war er sich sicher, dass Gott ihm alle Sünden vergeben hatte und ihn bedingungslos annimmt und liebt.
Dieses Erlebnis war der einschneidende Wendepunkt in seinem Leben, von dem die weiteren Impulse der methodistischen Bewegung ihren Ausgang nahmen.
Ein Rhythmuswechsel
Ein englischsprachiges Video der Methodistenkirche in Grossbritannien verdeutlicht im Bild eines «Takt-» oder «Rhythmuswechsels», wie sich diese Erfahrung verstehen lässt – und inwiefern dies ein Grundelement methodistischer Spiritualität ist.
Unter freiem Himmel predigen
Einige Monate später lud George Whitefield, ebenfalls ein anglikanischer Geistlicher, seinen Freund John Wesley ein, in die Stadt Bristol zu kommen, um vor Bergarbeitern zu sprechen. John Wesley folgte der Einladung. Dass er dann jedoch unter freiem Himmel predigte, entsprach nicht seiner Vorstellung. Doch dieser Schritt heraus aus den Kirchen und hin zu den Menschen war der Beginn der methodistischen Erweckung.
Songwriter und Prediger
Charles Wesley, Johns jüngerer Bruder, war ebenfalls ein sehr wortgewandter Prediger. Ausserdem übersetzte er die Botschaft des Evangeliums in Lieder. Diese wurden ein sehr wirksames Mittel, um Menschen wichtige Glaubensinhalte weiterzugeben.
Charles Wesley veröffentlichte mehr als 4500 Hymnen. Rund 3000 weitere hinterliess er bei seinem Tod im Jahr 1788 als Manuskripte. Der Komponist Georg Friedrich Händel vertonte einige der Lieder von Charles Wesley.
Eine Laienbewegung
Unter der Führung von John Wesley wuchs die Bewegung schnell. Mit ihren Predigten erreichten die Methodist:innen nicht zuletzt jene Leute, die sich von der Kirche von England vernachlässigt fühlten.
Die rasch wachsende Bewegung organisierten die Wesleys mit der Einrichtung kleiner Gruppen, den «Class Meetings». Diese Versammlungen förderten das Gemeinschaftsgefühl und das geistliche Wachstum. Das wurde zu einem Kennzeichen des Methodismus.
Verkündigung und Unterweisung übernahmen in der jungen Bewegung sehr oft Laien, Männer und Frauen. Einfache Leute ohne Theologiestudium oder Ordination predigten. John Wesley schulte sie intensiv durch Schriften und viele Gespräche. So breitete sich die Bewegung rasch aus. An vielen Orten zunächst in Grossbritannien und später in den USA entstanden methodistische Gruppierungen.
Schon bald nach den ersten Aufbrüchen rief John Wesley die wichtigsten Mitarbeiter jährlich zu Konferenzen zusammen. Dort berieten sie gemeinsam über die Fragen der Lehre, der Verkündigung und der Glaubenspraxis. Die als Konferenzprotokolle festgehaltenen Ergebnisse der Beratungen bildeten die Grundlagen für die Lehre.
Bis heute ist das System der «Konferenzen» eines der typischen Merkmale des Methodismus. Auf dieser Basis gestaltet sich die Vielfalt der methodistischen Gemeinden weltweit.
Die Anfänge in den USA
Nach dem amerikanischen Unabhängigkeitskrieg 1784 mangelte es der jungen Bewegung in Amerika an ordinierten Geistlichen. Trotz der Bitte John Wesleys weigerte sich der Bischof von London, Methodisten für die kirchliche Arbeit in den Vereinigten Staaten zu ordinieren. John Wesley ernannte daraufhin zwei «Laienprediger» für den Dienst in Amerika und beauftragte Thomas Coke als Superintendent der amerikanischen Methodisten. Diesen beauftragte er damit, auch Francis Asbury zu ordinieren. Diese beiden wurden die ersten Bischöfe der methodistischen Kirche in den USA und prägten die Entwicklung der methodistischen Kirche nachhaltig.
Wesleys Ordinationen stellten einen wichtigen Präzedenzfall für die methodistische Kirche dar. Der endgültige Bruch mit der Kirche von England erfolgte freilich erst 1795, vier Jahre nach seinem Tod.
Als John Wesley 1791 starb, gehörten der durch seinen Bruder und ihn initiierten Bewegung weltweit rund 100 000 Mitglieder an. Etwa die Hälfte davon in Grossbritannien.