Sechs menschliche Hände formen gemeinsam vor einer Wand ein Herz.

Methodistische Spiritualität ist eine reiche und lebendige Tradition, die den persönlichen Glauben, die Gemeinschaft und die soziale Verantwortung betont. In ihrem Kern ermutigt sie die:den einzelne:n, eine tiefe, das eigene Leben bestimmende Beziehung zu Gott zu suchen und sich zugleich aktiv mit der Welt um sich herum auseinanderzusetzen und diese mitzugestalten.

Gott sucht den Menschen

Zentral für die methodistische Spiritualität ist die Gewissheit, dass Gott jedem Menschen nahe ist. Zwar führen nicht alle Wege zu Gott. Doch Gott ist auf allen Wegen unterwegs, um Menschen zu begegnen. Durch seine Liebe verändert Gott das Leben der Menschen fortwährend. Diese Liebe weiterzugeben, verändert jeden Menschen.

In der christlichen Spiritualität wird dieses Geschehen mit dem Begriff «Gnade» beschrieben.

Gott kommt dir entgegen
(«zuvorkommende Gnade»)

Gott ist keinem Menschen fern. Gottes Geschenk der Liebe überrascht Menschen auch dann, wenn sie nichts von ihm wissen (wollen). Wo Menschen so von der Liebe Gottes überrascht werden, entsteht ein Impuls, durch den sich das persönliche Leben verändern kann.

Gott ermöglicht einen Neuanfang
(«rechtfertigende Gnade»)

Wer persönlich von der Liebe Gottes berührt wird, nimmt sich selbst, die Mitmenschen und die Gesellschaft anders wahr. Das ist, wie neu geboren zu werden. Methodist:innen sind Zeug:innen dieser persönlichen Erfahrung der Liebe Gottes, sie sind persönlich berührt.

Gottes Liebe verändert
(«heiligende Gnade»)

Eine liebevolle Beziehung verändert. Wer geliebt wird, ist frei, sich den Mitmenschen und der Mitwelt zuzuwenden. Das ist gut für dich und andere. Methodist:innen sind nicht perfekt. Sie sind Schüler:innen Jesu und lernen von ihm, Gott und die Mitmenschen zu lieben.

Liebe bringt in Bewegung

Wer von Gottes Liebe persönlich berührt ist, dessen Leben wird bestimmt von dieser Liebe. In ihrem Kern ist die methodistische Spiritualität darum auf die Liebe ausgerichtet.

«In einer gläubigen Christin oder einem gläubigen Christen sitzt die Liebe auf dem Thron, der im Innersten der Seele aufgerichtet ist, nämlich die Liebe zu Gott und den Menschen, die das ganze Herz erfüllt und unangefochten regiert.»

John Wesley, Predigt 92, Über den Eifer

Die Liebe zu Gott und zu den Menschen schafft Beziehungen. Ein Schlüsselelement der methodistischen Spiritualität ist die persönliche Beziehung zu Gott. Das ist eine Beziehung, die sich ein Leben lang verändert und in der Gott immer neu entdeckt wird.

Zu glauben ist nicht nur eine persönliche Reise, sondern heisst: gemeinsam unterwegs sein. Darum gehört zur methodistischen Spiritualität unverzichtbar die Gemeinschaft. Formen solcher Gemeinschaft sind einerseits die Gottesdienste und das gemeinsame gefeierte Abendmahl. Andererseits gehören dazu auch Kleingruppen, in denen Methodist:innen miteinander die Bibel lesen, über ihren Glauben austauschen, beten und Gott loben.

Die Begegnung mit Gott suchen

Die Wege, auf denen die:der einzelne Gottes Liebe und Unterstützung erfahren kann, heissen in der methodistischen Tradition «Gnadenmittel». Sie sind Gefässe, die Gott mit seiner Gegenwart füllen kann. Durch die aktive Teilnahme an diesen Praktiken öffnen sich die Menschen für den Empfang der Gnade Gottes, die ihr Leben verändern und ihren Glauben vertiefen kann.

Unter anderem gehören zu diesen «Gnadenmitteln», Gottesdienst und Verkündigung, die gemeinsame Feier des Abendmahls, das Gebet sowie regelmässig die Bibel zu lesen.

Glaube, der durch die Liebe tätig ist

Liebe lässt sich nicht begrenzen auf die eigene Gemeinschaft oder Menschen, die ähnliche Überzeugungen teilen. Zum Wesen der methodistischen Spiritualität gehört darum grundlegend, sich anderen Menschen zuzuwenden und sie zu unterstützen. in ganz besonderer Weise gilt diese Zuwendung den Menschen, die an dern Rand der Gesellschaft geraten sind oder gedrängt werden.

Ausdruck findet das nicht nur im freiwilligen Engagement einzelner. Geschichtlich sind mit der methodistischen Kirche institutionelle Eindrichtungen der Diakonie verbunden. Diakonisches Handeln oder Unterstützung entsprechender Initiativen ist zudem wichtiger Teil dessen, wie methodistische Kirchgemeinden unterwegs sind.

Spiritualität im Alltag der Welt

Zur methodistischen Spiritualität gehört darüber hinaus die Überzeugung, dass es wichtig ist, die sozialen und systemischen Probleme anzugehen, die zu Leid und Ungerechtigkeit beitragen. Mit dem 1908 erstmals formulierten «Sozialen Bekenntnis» verpflichten sich Methodisti:innen, sich für Gerechtigkeit und Gleichheit einzusetzen. Die Sozialen Grundsätze vertiefen diese Ideen und bieten eine Anleitung, wie Methodist:innen sich in der Welt engagieren und für positive Veränderungen eintreten können.

Die Gnadenmittel bieten der:dem einzelnen Möglichkeiten, mit Gott in Verbindung zu treten und spirituell zu wachsen, während das soziale Bekenntnis und die sozialen Grundsätze zum aktiven Engagement bei der Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen ermutigen. Zusammen bilden diese Elemente einen ganzheitlichen Ansatz für die Spiritualität, der Methodist:innen dazu inspiriert, ihren Glauben sowohl persönlich als auch in der breiteren Gemeinschaft zu leben.

Liebe befreit und verpflichtet

Methodist:innen sind Menschen, die von Gottes Liebe überrrascht wurden und verwandelt werden. Die Beziehung, die Gott mit den Menschen dabei eingeht, beschreiben Methodist:innen auch mit der biblischen Vorstellung eines «Bundes», den Gott mit den Menschen eingeht. In der methodistischen Spiritualitöt spielt diese Vorstellung vom Bund Gottes mit den Menschen eine wichtige Rolle. Mindestens einmal im Jahr feiern Methodist:innen daher einen «Gottesdienst zur Erneuerung des Bundes» mit Gott. Die Texte und Gebete dieser Feier wurden von John Wesley, dem Gründer der methodistischen Bewegung, formuliert.

Gebet zur Erneuerung des Bundes mit Gott

Ich gehöre nicht mehr mir, sondern dir.
Stelle mich, wohin du willst. Geselle mich, zu wem du willst.
Lass mich wirken, lass mich dulden.
Brauche mich für dich oder stelle mich für dich beiseite.
Erhöhe mich für dich, erniedrige mich für dich.
Lass mich erfüllt sein, lass mich leer sein.
Lass mich alles haben, lass mich nichts haben.
In freier Entscheidung und von ganzem Herzen
überlasse ich alles deinem Wohlgefallen und Walten.
Und nun, herrlicher und erhabener Gott,
Vater, Sohn und Heiliger Geist,
du bist mein und ich bin dein.
So soll es sein.
Bestätige im Himmel meine Hingabe,
wie ich sie auf Erden vollzogen habe.
Amen.

aus der Liturgie der Feier zur Erneuerung des Bundes mit Gott