Enttäuscht über das Schweigen zu den Gräueltaten im Kongo
Blanchard Ayinza Boke ist Landeskoordinator von Connexio develop in der DR Kongo. Er lebt mit seiner Familie in Kinshasa und erlebt in diesen Tagen Vieles, das ihn wütend und traurig macht.

Blanchard Ayinza Boke ist Landeskoordinator von Connexio develop in der DR Kongo. Er lebt mit seiner Familie in Kinshasa und erlebt in diesen Tagen Vieles, das ihn wütend und traurig macht.
Die Sicherheitslage im Osten der Demokratischen Republik Kongo, insbesondere in den Provinzen Nord- und Süd-Kivu und der Stadt Goma, hat sich in den letzten Wochen dramatisch verschlechtert. Seit dem Einmarsch der Rebellengruppe M23 in Goma in der Nacht zum 26. Januar kommt es zu heftigen Kämpfen zwischen den Rebellen und den kongolesischen Streitkräften (FARDC). Connexio develop, das Hilfswerk der methodistischen Kirche in der Schweiz, unterstützt in der Provinz Süd-Kivu ein Friedensförderungsprojekt. Danka Bogdanovic von Connexio develop hat den Landeskoordinator des Hilfswerks, Blanchard Ayinza Boke, am 29. Januar zur Lage im Land befragt.
Die Situation ist im Osten des Landes sehr schwierig, insbesondere in Nord-Kivu und vor allem in der Stadt Goma und ihrer Umgebung. Die Sicherheitslage hat sich verschlechtert und eskaliert weiter. Die Rebellengruppe M23 wird von den ruandischen Streitkräften (RDF) unterstützt. Seitdem finden heftige Kämpfe zwischen den Rebellen und den kongolesischen Streitkräften (FARDC) rund um den Flughafen von Goma statt. Bis gestern Abend kam es auch zu Strassenkämpfen zwischen diesen bewaffneten Gruppen.
(Anm. der Red.: Die Hauptausgabe der Tagesschau vom 29.1.2025 berichtete, dass die Rebellengruppe die Kontrolle über Goma samt dem Flughafen erlangt habe.)
Die Situation ist chaotisch. Humanitäre Organisationen, die in Goma tätig sind, haben ihre logistischen Kapazitäten verloren. Bei vielen Organisationen wie dem Roten Kreuz wurden Lagerhäuser zerstört, in denen Lebensmittel und andere Güter gelagert wurden. Strom, fliessendes Wasser und Internetverbindung sind nicht mehr verfügbar. Die Bevölkerung wird gewarnt, zu Hause zu bleiben, da es bewaffnete Kämpfe auf den Strassen gibt. Ein Freund, der derzeit in Goma ist, hat mir erzählt, dass die Menschen unter ihren Betten Schutz suchen.
Gestern war es in Kinshasa sehr angespannt. Wütende Menschenmengen demonstrierten auf den Strassen und griffen Botschaften westlicher und einiger afrikanischer Länder in Kinshasa an. Die Botschaftsgebäude der USA, von Frankreich, Belgien, Ruanda, Uganda und Kenia waren Ziele der Angriffe. Dabei wurden die Botschaften von Belgien, Kenia und Frankreich teilweise niedergebrannt und zerstört. Diejenigen von Ruanda und Uganda wurden vollständig zerstört. Der Grund ist die Beteiligung dieser Länder am ineffizienten Friedensprozess oder ihrer diplomatische und militärische Unterstützung für Ruanda.
Heute Morgen ist Kinshasa relativ ruhig, obwohl die regierende politische Partei UDPS gestern zu einer grossen Demonstration für heute aufgerufen hatte. Viele Banken, Schulen, Geschäfte und Einkaufszentren bleiben geschlossen. Es herrscht wenig Verkehr. Diele Menschen haben Angst vor Gewalt, nachdem es gestern zu Ausschreitungen kam.
Die Menschen im Kongo wollen, dass ihre Regierung die Krise im Osten des Landes bekämpft und löst. Ruanda und die M23 haben Millionen von Kongolesen getötet. Die Vereinten Nationen haben über Verbrechen und Missbrauch an Kindern und Frauen durch die M23 und Ruanda berichtet.
Doch die internationale Gemeinschaft schweigt zu diesen Verbrechen. Ruanda wird nicht sanktioniert und für seine menschlichen und wirtschaftlichen Verbrechen sogar belohnt. Vor kurzem erst hat die Europäische Union Ruanda 20 Millionen Euro als Militärhilfe gewährt. Die Wahrheit ist, dass Ruanda im Kongo tötet, stiehlt und Mineralien, vor allem Coltan, auf dem nach den wertvollen Mineralien hungrigen Weltmarkt verkauft.
Die Bevölkerung Kongos will, dass Ruanda sich vom Territorium der DR Kongo fernhält und die Unterstützung für die M23 einstellt, eine mörderische Rebellenmiliz, die sich teilweise durch den illegalen Handel mit Mineralien finanziert.
Die Bürgerinnen und Bürger des Kongos fordern ein Ende des Diebstahls, der Misshandlung von Frauen und Kindern und der Tötung von Menschen für Mineralien. Sie fordern einen fairen und sauberen Handel mit Mineralien. Seit drei Jahrzehnten werden kongolesische Bürger getötet. Schluss damit! Schluss damit! Schluss damit!
Die Rebellen bewegen sich nun auch in Richtung Bukavu, der Hauptstadt der Provinz Süd-Kivu. Bevor sie Goma angriffen, drangen die Rebellen in Minova ein, das ist eine kleine Stadt an der Grenze zwischen Nord- und Süd-Kivu. Ein Rebellenführer behauptet, dass ihr Ziel Kinshasa sei. Da die Situation im Gebiet um Goma eskaliert, wird Kinshasa in den kommenden Tagen mit Gewalt konfrontiert sein.
Die Situation könnte sich verschlimmern, wenn keine grossen diplomatischen Anstrengungen unternommen werden. Der Friedensprozess unter Vermittlung der Republik Angola ist derzeit blockiert. Die DR Kongo lehnt jegliche Verhandlungen mit der Rebellengruppe ab. Am letzten Treffen, das vor einigen Wochen in der Stadt Luanda geplant war, hat der ruandische Präsident nicht teilgenommen. Es sieht so aus, als ob die «Lösung» ein militärischer Konflikt zwischen der DR Kongo und Ruanda über die M23 sein wird.
Ich stehe regelmässig in Kontakt mit Frau Rose, der derzeitigen Projektleiterin des Friedensförderungsprojekts in Uvira. Bis jetzt ist das Projektteam sicher. Das Projektgebiet ist von dieser Konfliktphase in Goma noch nicht betroffen.
Trotz der Krise setzt Connexio develop sich zusammen mit den Partner:innen vor Ort weiterhin für Frieden und Versöhnung ein. Das Friedensförderungsprojekt der Partnerkirche in Uvira schafft Begegnungsräume für verfeindete Gemeinschaften und verbessert die Lebensgrundlagen der Menschen.
Mit einer Spende unterstützen Sie die Friedensarbeit und helfen, Leben zu verändern.
Vermerk: Friedensförderung Süd-Kivu
Der Konflikt im Osten der DR Kongo, der hauptsächlich die Regionen Nord- und Süd-Kivu umfasst, ist komplex und eine Mischung aus politischen, identitären, wirtschaftlichen und Landfragen. Das Friedensförderungsprojekt arbeitet an einem friedlichen Zusammenleben zwischen lokalen Gemeinschaften Das Projekt schafft Begegnungsräume für Mitglieder verschiedener lokaler Gemeinschaften, um sie zunächst in Kontakt zu bringen und ihre Lebensgrundlagen im Kontext der Armut zu verbessern.
Ich habe keine Angst vor der Situation. Doch ich habe gemischte Gefühle. Einerseits bin ich traurig, enttäuscht, wütend und zugleich motiviert für Veränderungen in der DR Kongo. Enttäuscht bin ich über das Schweigen angesichts so vieler Gräueltaten und Ungerechtigkeiten im Kongo, die zugunsten von Profit und wirtschaftlichen Interessen geschehen. Ich frage mich, ob fairer Handel nicht mit dem Respekt vor dem menschlichen Leben vereinbar ist.
Danka Bogdanovic, Connexio develop