An der Generalkonferenz der weltweiten United Methodist Church (UMC) haben die Delegierten nach einer kontroversen Debatte am 2. Mai eine revidierte Fassung der «Sozialen Grundsätze» angenommen, in der keine Verurteilungen von Homosexualität mehr zu finden sind.
Mit einem Votum von 523 zu 161 Stimmen strichen die Delegierten der 🔗Generalkonferenz, des obersten Leitungsgremiums der UMC, nach einer etwa eineinhalbstündigen Debatte die 🔗52 Jahre alte Aussage in den Sozialen Grundsätzen, dass «die Praxis der Homosexualität … mit der christlichen Lehre unvereinbar ist».
Offenes Verständnis von «Ehe»
In derselben Abstimmung bekräftigten die Delegierten «die Ehe als einen heiligen, lebenslangen Bund, der zwei gläubige Menschen (einen erwachsenen Mann und eine erwachsene Frau in einwilligungsfähigem Alter oder zwei erwachsene Personen in einwilligungsfähigem Alter) in eine Verbindung miteinander und in eine tiefere Beziehung zu Gott und der religiösen Gemeinschaft bringt.»
Mit der aufgrund eines Änderungsantrages zusätzlich eingefügten Bestimmung der Ehe wird den unterschiedlichen Kontexten der weltweiten Kirche Rechnung getragen. Zudem verweist die Einfügung implizit auf die in anderen Teilen der sozialen Grundsätze ausführlicher formulierte Ablehnung von Kinderehen, die Ablehnung von Polygamie und Bekräftigung, dass für sexuelle Beziehungen beide Beteiligte zustimmen müssen.
Ein lange ersehnter Moment
Randall Miller, der den Vorsitz der Arbeitsgruppe für die sozialen Grundsätze innehatte, die für die Entwicklung der in der vergangenen Woche verabschiedeten Änderungen verantwortlich war, sagte, dies sei ein historischer Moment.
«Ich und andere haben 40 Jahre lang daran gearbeitet, die Unvereinbarkeitsklausel aus unseren Sozialen Grundsätzen zu streichen und unseren Glauben, dass alle Menschen heilig sind, wirklich zu leben», sagte Miller, der schwul ist und sich seit langem für die volle Einbeziehung von LGBTQ-Personen in das kirchliche Leben einsetzt. «Ich bin zutiefst dankbar und es ist wunderbar, dass wir diesen Moment erreicht haben».
Lange Debatte im Vorfeld
Vor der Abstimmung kam es zu einer rund eineinhalb Stunden währenden Debatte. Zahlreiche Delegierte wollten die Ehe ausschliesslich als eine Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau verstanden wissen. «Gott hat die Ehe als eine Ehe zwischen einem Mann und einer Frau festgelegt», sagte etwa Nimia Peralta, eine Delegierte von den Phlippinen. «Während wir die weltweite Regionalisierung sehr begrüssen, bin ich doch der festen Überzeugung, dass die Bestimmung der Ehe niemals regionalisiert werden kann.»
Pfarrer Jørgen Thaarup, ein Delegierter aus Dänemark, wies dagegen darauf hin, dass John Wesley zwei verschiedene Zeremonien für die Eheschliessung verwendete: Eine für Paare, die einen Kinderwunsch hatten, und eine für Paare, die keinen Kinderwunsch hatten. «Der Gedanke, dass die Ehe nicht nur eine Sache, sondern zwei Dinge ist, stammt also von John Wesley», sagte er.
Nicht perfekt, aber mutig
«Die Sozialen Grundsätze sind ein lebendiges Dokument», sagte Shandon Klein, eine Delegierte der North Texas Conference. Sie war Vorsitzende des vorberatenden Ausschusses, der diesen Abschnitt der Sozialen Grundsätze unterstützte und an das Plenum weiterleitete. «Das Dokument mag nicht perfekt sein, wie diese Debatte gezeigt hat. Aber das sind wir als Menschen auch nicht. Was wir vor uns haben, ist ein von Gnade erfülltes Dokument, das mutig versucht, die Mission für unsere soziale Gemeinschaft zu auf eine gemeinsame Basis zu stellen.»
Afrikanische Delegierte und ein afrikanischer Bischof fanden sich nach der Abstimmung vor dem Tagungsgebäude zusammen und protestierten gegen den Entscheid. «Wir glauben nicht, dass wir es besser wissen als die Bibel», sagte Pfarrer Jerry Kulah, ein Delegierter der Generalkonferenz aus Liberia, Koordinator der «Africa Initiative» und Leiter der Kundgebung. Bischof John Wesley Yohanna aus Nigeria schloss sich dem Protest an und kritisierte die erweiterte Formulierung der Generalkonferenz zur Ehe. «Die Ehe ist zwischen einem Mann und einer Frau. Punkt», sagte er.
Am anderen Ende des Platzes feierten Mitglieder des «Queer Delegate Caucus» und Delegierte, die die Entscheidung untersützt hatten.
Ein langer Entstehungsprozess
Mit der Abstimmung haben die Delegierten die gesamte revidierte Fassung der Sozialen Grundsätze angenommen. Diese treten in den USA am 1. Januar kommenden Jahres in Kraft. Für die 🔗Zentralkonferenzen, Kirchenregionen ausserhalb der Vereinigten Staaten, können sie erst mit der Tagung und Beschlussfassung durch die der Generalkonferenz folgende Zentralkonferenz in Kraft treten. Bis dahin werden zudem Übersetzungen in die verschiedenen Landessprachen erstellt.
Die Neufassung ist das Ergebnis eines internationalen, mehrjährigen Prozesses, der von der Generalkonferenz 2012 autorisiert wurde, um eine «global relevantere, theologisch fundiertere und prägnantere» Version zu entwickeln. Eine Gruppe von 52 Autor:innen aus Afrika, Europa, den Philippinen und den USA hatte einen Entwurf erarbeitet. Über 4 000 Methodist:innen aus aller Welt haben diesen kommentiert. Die Rückmeldungen wurden in die nun der Generalkonferenz vorgelegte Fassung eingearbeitet. Die Sozialen Grundsätze stellen die öffentlichen Standpunkte der Konfession zu aktuellen Themen dar und sind kein Kirchenrecht.
Beitrag geändert: Am 24. Mai wurden die Quellenangaben zu den Originalbeiträgen nachgetragen.
S.F. / Heather Hahn, Sam Hodges unnd Jim Patterson, UM News / Klaus Ulrich Ruof, EmK Deutschland
Beitragsbild: Amanda Mountain und Bridget Cabrera beten am 2. Mai vor dem Charlotte Convention Center, nachdem die Generalkonferenz beschlossen hatte, eine Überarbeitung der Sozialen Grundsätzezu genehmigen. Das neu verabschiedete Dokument streicht die Aussage, dass die Praxis der Homosexualität mit der Lehre der Kirche unvereinbar sei. (Foto: Paul Jeffrey, UM News)
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Eine 52 Jahre währende Kontroverse
Im Jahr 1972 berieten die Delegierten der Generalkonferenz über eine neue Reihe von Sozialen Grundsätzen für die neu gegründete United Methodist Church, die 1968 aus dem Zusammenschluss der Methodist Church und der Evangelical United Brethren Church hervorgegangen war.
Damals stimmten die Delegierten dafür, die Worte einzufügen: «Wir dulden die Praxis der Homosexualität nicht und halten sie für unvereinbar mit der christlichen Lehre.» Die Einfügung folgte auf den Satz: «Personen mit homosexueller Orientierung sind Personen von heiligem Wert.» Dieselbe Tagung nahm auch die Erklärung an: «Wir empfehlen nicht die Ehe zwischen zwei Personen des gleichen Geschlechts.» Davor enthielt die Kirchenordnung keine Aussage zur Homosexualität.
Seit 1972 wurde die Haltung der UMC zur Homosexualität auf jeder Generalkonferenz zu einem wiederkehrenden Thema von Debatten und Protesten. Die Tagung verschärfte die Restriktionen und verwandelte das, was ursprünglich ein soziales Zeugnis war, in eine Angelegenheit des Kirchenrechts.
Zu diesen zusätzlichen Beschränkungen gehörte das Verbot für Geistliche, gleichgeschlechtliche Trauungen zu vollziehen, und das Verbot für Geistliche, die, wie es in den entsprechenden Paragrafen der Kirchenordnung heisst, «selbsterklärte praktizierende Homosexuelle» sind. Geistliche, die dieser Verstösse gegen das Kirchenrecht für schuldig befunden werden, können mit dem Verlust ihres Befähigungsnachweises oder mit geringeren Strafen belegt werden.
Die Debatte gipfelte in der ausserordentlichen Generalkonferenz 2019, die mit 438 zu 384 Stimmen den «Traditional Plan» verabschiedete, der auf eine Verschärfung dieser Einschränkungen abzielte. In der Folge kam es zu heftigen Kontroversen und zur Bildung einer neuen, theologisch konservativen methodistischen Kirche. Viele, oft eher theologisch konservativ geprägte Kirchgemeinden und einzelne Kirchenregionen haben die UMC verlassen.
Auf der diesjährigen Generalkonferenz haben die Delegierten nun in mehreren Entscheidungen alle Beschränkungen zurückgenommen.
Die Generalkonferenz
Die Generalkonferenz ist das oberste Leitungsgremium der weltweiten Methodistenkirche (🔗United Methodist Church). Die Konferenz kann das Kirchenrecht revidieren und Resolutionen zu aktuellen moralischen, sozialen, politischen und wirtschaftlichen Fragen verabschieden. Sie genehmigt auch Programme und Budgets für kirchenweite Aktivitäten.
Zentralkonferenzen
In Afrika, Europa und auf den Philippinen bilden die Jährlichen Konferenzen (Kirchenparlamente) einer grösseren Region sogenannte Zentralkonferenzen. Die an eine Zentralkonferenz entsandten Delegierten sind zu gleichen Teilen Laien und pastorale Mitglieder. Die Zentralkonferenz bildet eine administrative Einheit, die die gemeinsame Arbeit und Mission koordiniert und auch ihren Bischof oder ihre Bischöfin wählt. Die Jährliche Konferenz Schweiz-Frankreich-Nordafrika ist Teil der 🔗Zentralkonferenz von Mittel- und Südeuropa (ZK MSE). Seit 2022 leitet Bischof Stefan Zürcher (Zürich) die ZK MSE.