Netz4: «Hier werden Spiritualität und Handeln miteinander verbunden»

Markus Da Rugna hat Anfang Februar seine neue Aufgabe in der Co-Leitung des Bereichs Erwachsene im Netz4 in Zürich übernommen. Hier wird für ihn Spiritualität gesellschaftlich relevant.

Seit dem 1. Februar leitet Markus Da Rugna zusammen mit Hanna Habegger den Bereich Erwachsene im Netz4. Gian-Duri Mögling, der Vorgänger von Markus Da Rugna, wurde Ende Februar pensioniert. Während eines Monats konnte Markus Da Rugna mit ihm zusammen sein neues Aufgabenfeld kennenlernen. Nun liegt die Verantwortung bei ihm.

Eine wichtige Verbindung

Zuvor war Da Rugna rund 20 Jahre Pfarrer der methodistischen Kirche in der Schweiz. Was reizt ihn an seiner neuen Aufgabe? Was könnte die Kirche lernen von der sozialdiakonischen Einrichtung im Zürcher Kreis 4?

«Die Verbindung von Spiritualität und Handeln, also die ‹Diakonie› ist mir in der Auszeit nach meiner Zeit im Pfarramt wichtig geworden», sagt Da Rugna. Darum habe er sich in diesem Bereich umzusehen begonnen. «Spiritualität ist für mich nicht einfach an die Kirche gebunden», sagt er. Er hätte sich daher auch vorstellen können, eine entsprechende Arbeitsstelle ausserhalb der Kirche anzutreten. «Doch das Netz4 ist in dem Sinn natürlich sehr passend, weil hier Spiritualität und Handeln miteinander verbunden werden und die Diakonie sehr wichtig ist.»

Gemeinschaft und Begegnung

Freiwillige und angestellte Mitarbeitende im Netz4 arbeiten vor allem mit armutsbetroffenen Personen. «Für die Erwachsenen sind das im Wesentlichen die Angebote vom Netz4 am Mittwoch und am Freitag», sagt Markus Da Rugna.

Am Mittwoch ist das der Treff54 mit Nähcafé, eine Möglichkeit zu Begegnung und Gemeinschaft: gemeinsam kochen und essen, kreative Angebote wahrnehmen, spielen oder zusammen diskutieren. Auch Beratungsgespräche werden angeboten.

Angebote für junge Menschen

Neben den im Beitrag erwähnten Angeboten für Erwachsene unterstützt Netz4 in einem eigenen Arbeitsbereich auch junge Menschen zwischen 16 und 30 Jahren auf ihrem Weg zu einem selbstbestimmten Leben. Das Angebot umfasst Hilfe bei Ausbildung, Arbeit, Wohnungssuche und persönlichen Herausforderungen.

Ein besonderes Geschenk

Obdachlose Menschen können anschliessed beim Projekt «Ä Nacht Schänke» die Möglichkeit in Anspruch nehmen, von Mittwoch auf Donnerstag in der Kirche zu übernachten. «Das ist eine der wenigen methodistischen Kirchen in der Schweiz, in der man das jede Woche kann», sagt Markus Da Rugna stolz. Bis gegen 20 Personen nähmen diese Möglichkeit Woche für Woche wahr.

Mehr als Essen

«Am Freitag ist dann der ‹Imbiss54›.» Seit über 30 Jahren gibt es dieses Spaghetti-Essen. Auch hier engagieren sich neben den angestellten Mitarbeitenden zahlreiche Freiwillige. «Sie bereiten das Essen vor, kochen also Spaghetti mit Sosse. Und sie geben auch Lebensmittel ab, die zum Beispiel vom Markt am Helvetia-Platz geholt oder von der Schweizer Tafel geliefert werden.» Ausserdem gibt es freitags noch eine Kleiderabgabe.

Ursachen der Armut

Armut, das zeigt sich auch bei den Personen, die ins Netz4 kommen, hat viele Facetten und Ursachen. «Einige leben von Sozialhilfe. Andere sind obdachlos, leben also entweder auf der Strasse oder kommen hin und wieder irgendwo unter.» Dann gebe es viele Arbeits­migrant:innen. «Das sind oft Leute aus Spanien und Rumänien, die in der Zeit, für die sie ein Visum haben, versuchen, irgendwo Arbeit zu finden. Nicht selten scheitern sie mit diesem Versuch.»

Dazu kämen die Migrant:innen – etwa aus der Ukraine oder Afghanistan oder anderen Ländern. «Einige solcher Migrantinnen und Migranten engagieren sich bei uns freiwillig. Sie selbst haben jedoch auch nicht viel zum Leben.»

Sucht und Einsamkeit

Weiter seien da Personen mit psychischen Schwierigkeiten, die sich im Alltag schwer zurechtzufinden. «Entsprechend haben die bei allem Mühe: wenn sie eine Wohnung suchen oder Arbeit. Wenn Schwierigkeiten auftreten oder sie in Not sind.» Hinzu komme die Suchtproblematik, die auch mit hinein spiele. «Manchmal merkt man das erst mit der Zeit, wenn irgendjemand laut wird oder so.»

Immer wieder kämen auch Personen ins Netz4, die schlicht kein soziales Netz haben und relativ einsam sind in einer Stadt wie Zürich. Eben, Not und Armut hätten viele Facetten. «Darum muss man die Leute kennenlernen und ihre Hintergründe entdecken, aus denen sie kommen.»

Finanzierung

Die Arbeit von Netz4 wird finanziell getragen durch Spenden von Privatpersonen, Unternehmen und Organisationen, von Beiträgen der öffentlichen Hand sowie duch Eigenleistungen von Teilnehmenden und Einnahmen aus Veranstaltungen. Jede Unterstützung trägt dazu bei, die Angebote für Menschen am Rande der Gesellschaft aufrechtzuerhalten und weiterzuentwickeln.

Unterstützung und Beziehungen

Die Menschen, die kommen, finden im Netz4 Unterstützung, damit sie kleine Schritte tun können, die ihnen helfen. Dabei gehe es einerseits um die Grundbedürfnisse, etwa Nahrung und Kleidung. Aber auch um Unterstützung bei anderen Fragen, an denen sie dran sind, etwa im Kontakt mit Behörden.

«Im Netz 4 ist uns zudem der Aspekt der Gemeinschaft wichtig, der Beziehungen. Die Leute sollen nicht nur ‹einen vollen Bauch› haben, sondern auch andere Menschen treffen und mit anderen sprechen können, die vielleicht in ähnlichen Situationen sind, oder mit Leuten, die dort angestellt sind.»

Selbst etwas beitragen

Eine besondere Stärke beim Netz4 sieht Da Rugna auch darin, wie die Leute, die kommen, Möglichkeiten haben und nutzen, um sich selbst zu beteiligen. «Sie kommen also nicht einfach nur und konsumieren und gehen dann wieder. Sie können vielmehr wirklich sinnstiftend etwas tun und beitragen. Das finde ich schon eine grosse Stärke.» Dass und wie das im Netz4 funktioniert, sei auch im Kontext anderer, ähnlicher sozialer Einrichtungen in Zürich eine Besonderheit.

Bei den Menschen sein

Als Pfarrer kann Markus Da Rugna hier Spiritualität und Handeln miteinander verbinden. Was aber könnte die Kirche seiner Meinung nach von der Arbeit lernen, die das Netz4 tut? – «Einfach bei der Not und den Bedürfnissen der Menschen zu sein am Ort, an dem die Kirche jeweils ist.» Das sei der methodistischen Kirche im Zürcher Kreis 4 schon vor langer Zeit gelungen. «Ich bin überzeugt, das ist wichtig für die Kirche der Zukunft: Bewusst gesellschaftlich relevant zu sein und nach einer Aufgabe zu suchen, die der Kirche an ihrem Ort vor die Füsse gelegt sein könnte.»

Einfach mal hingehen

Das Angebot des Netz4 sei bekannt – auch bei Leuten, die mit der methodistischen Kirchgemeinde hier nichts am Hut haben. «Doch sie wissen: Da ist eine christliche Gemeinde, die haben so Angebote. Immer am Freitag gibt es dort Spaghetti. Da könnte man gehen! Das ist doch genial, oder nicht? Für eine Kirche!»

Was am Freitagmittag in dieser methodistischen Kirche in Zürich 4 passiert, sei etwas vom Spannendsten, was in einer methodistischen Kirchgemeinde in der Schweiz zu erleben sei. «Also, wie es da brodelt und wuselt! Das ist absolut spannend! Da musst du schon mal einfach dabei sein!»

S.F.