«Wir wollten zum Dorfgespräch werden!»

Ihr 100-Jahr-Jubiläum feierte die methodistische Kirchgemeinde in Gelterkinden mit einer Vielzahl von Events. Darüber wurde auch im Dorf gesprochen.

Noch immer schweben die Methodist:innen in Gelterkinden etwas über dem Boden. Als sich das Organisationskomitee «100-Jahre Kapelle» der dortigen methodistischen Kirchgemeinde Ende 2023 zur ersten Sitzung getroffen hat, ahnte niemand, wie grossartig dieses Jahr werden würde. «Wir wussten dann noch nicht, ob genügend Mithelfende sich engagieren können, ob wir das mit den Finanzen hinkriegen, ob die eigenen Kräfte reichen werden, aber wir wussten alle ganz genau, das Jahr 2024 soll ein Jahr des Feierns werden», sagt Pfarrerin Christine Preis.

Ein Ort der Begegnung

Das Komitee hatte die Idee, durch das ganze Jahr hindurch mit verschiedenen Angeboten, Themen und Events auf die methodistische Kirchgemeinde aufmerksam zu machen. «Wir wollten unserer Kapelle als einem ‹Ort der Begegnung› gerecht werden. Und vor allem wollten wir zum Dorfgespräch werden.»

Inzwischen gehört auch der letzte offizielle Jubiläumsanlass von Mitte Oktober der Vergangenheit an. In der Kapelle liegen noch einige Erinnerungsstücke aus Bazarzeiten, ein paar Exemplare der Jubiläumsschrift und Fotos von früher herum. Zum Aufräumen bleibt noch genügend Zeit. «Später werden wir uns und unseren Helferinnen und Helfern noch ein Dankesessen gönnen, ein paar Bilder betrachten, die vielen Anlässe Revue passieren lassen», sagt die Pfarrerin. «Dann werden wir dieses Jahr abschliessen und einfach Danke sagen.»

Die Methodist:innen zeigen sich

Die Kräfte reichten. Die Finanzen gerieten nicht in Schieflage. Vom Organisationskomitee bis zur Mithelferin, vom Jungscharleiter, bis zum ältesten Gemeindemitglied können all von Höhepunkten, wunderbaren Begegnungen, berührenden und bewegenden Gesprächen, interessanten Vorträge und mitreissenden Konzerten erzählen. Der einen ist der Film, die Lesung noch sehr präsent, einem anderen der Festtag unter der Sommersonne und unser Jubiläumsgottesdienst mit den unzähligen Gästen von nah und fern.

Die methodistische Kirchgemeinde in Gelterkinden ist eine kleine Gemeinde, aber sie kann auch gross. Mit diesem Bewusstsein gelang es den Methodist:innen in diesem Jahr sich zu zeigen und die Türen weit zu öffnen. «Wir sind überwältig von den vielen Interessierten, Neugierigen, Bekannten und Fremden, die gekommen sind. Wir durften Menschen willkommen heissen, die kaum je den Fuss über die Schwelle einer Kirche setzten und solche, die einfach mal schauen wollten, wie es bei den Methodistinnen und Methodisten so zu und her geht.»

Die Besucher:innen und die Methodist:innen staunten miteinander und lobten. Sie hörten oder erzählten von eher schwierigen Kirchenerfahrungen. «Gleichzeitig liess sich manch eine gerne von unserem Geist anstecken.» Wer mehr über den Methodismus erfahren wollte, zückte sein Handy und lud sich über einen QR-Code einen kurzen Film herunter, der «In 7 Minuten Methodismus erklärt».

Darüber sprach das Dorf

Mit der Vielfalt ihrer Angebote und Events erreichten die Methodist:innen Menschen aus der nächsten Umgebung, aus dem Dorf und aus der Ökumene in Gelterkinden. Sie kamen, weil sie vom Thema angesprochen wurden, oder weil ihnen die Referent:innen und die Podiumsteilnehmer:innen bekannt sind.

«An diesen Veranstaltungen lebten Beziehungen besonders auf. Denn für einmal war nicht ein kirchlicher Anlass Grund unseres Treffens, sondern zum Beispiel das Thema ‹Gesunde Ernährung bis ins Alter› oder ‹Schulmedizin begegnet Naturheilkunde›», berichtet Christine Preis begeistert. Bei einem Glas Wein und feinen Häppchen tauschten sich Männer und Frauen über ihre Erfahrungen aus, lernten einander neu kennen. Es entstand Raum, um über unterschiedliche Meinungen zu diskutieren. Die kleine methodistische Kirchgemeinde wurde zum Gespräch im Dorf, im Claro-Laden, im Regio-Käse-Geschäft, in der Metzgerei.

Alte Bekannte treffen

Andererseits zogen die beiden grossen Anlässe im Sommer vor allem Ehemalige an. Um die 300 Menschen folgten der Einladung und reisten nach Gelterkinden. «Wir alle wurden Zeuginnen und Zeugen von berührenden Momenten, von Menschen, die sich nach 30 Jahren oder mehr hier wieder begegneten.» Freundschaften auf, frühere Jungschäler:innen, Gemeindeverantwortliche, Pfarrpersonen berichteten einander über ihr Leben, und was es so mit ihnen macht.

Am Festtag am 10. August wurde an geschmückten Tischen in friedlicher Atmosphäre rege über die früheren Zeiten ausgetauscht, gelacht, sinniert. Menschen blieben. Trafen immer neue alte Bekannte. Die Kochequipe versorgte die Gäste von morgens bis abends mit allerlei köstlichem, das Kuchenbuffet im kühlen Keller wurde zum Hotspot. Und wer Lust hatte, konnte einfach mal wieder eine Schoggibanane vom Feuer geniessen. Die Kinder durften sich schminken lassen, Geschichten hören, die Hüpfburg ausprobieren, Ballone steigen lassen.

Auch über Brüche sprechen

«Ein 100-Jahre-Jubiläum ist ein Erinnerungsfest, ist ein Dankes-Fest. Ist ein Zurückschauen auf eine lange Zeit voller guter Geschichten wie auch auf herausfordernden Phasen des Gemeindelebens» sagt Christine Preis. Sie ergänzt: «Erinnern heisst immer auch über die Brüche zu sprechen, wenn Menschen, Pfarrpersonen, die Gemeindeleitung einander nicht gefunden haben oder wenn man sich auseinanderlebte.» Erinnerungen seien manchmal auch schmerzhaft. «Es ist gut möglich, dass der eine oder die andere an unserem Fest ein Stück Versöhnung erleben konnte, weil mit dem Abstand von ein paar Jahrzehnten der Schritt in die Kapelle wieder möglich war.»

Die Begegnung mit all den Ehemaligen habe Freude gemacht. «Da war dieser Same der Gotteserfahrung, der hier in der Kapelle in ihr Leben gelegt wurde. Und er ist aufgegangen, dort an ihrem aktuellen Lebensort, in ihrem Umfeld.» Diese Erinnerungen zu teilen, habe gut getan und Hoffnung gemacht.

Hoffnung weitertragen

Die methodistische Kirchgemeinde in Gelterkinden ist klein geworden und hat das Grosse in diesem Jahr geschafft. «Wir gehen weiter und tragen diese Hoffnung ins Jahr 100+1, mitten in eine stark veränderten Lebenswirklichkeit» sagt Christine Preis entschlossen. «Uns ist es ein Herzensanliegen, hier an unserem Ort, Hoffnung auf eine Zukunft in diesen ganzen Veränderungen zu leben, an sie zu glauben und von ihr zu sprechen.»

Genau so sagt es der Leitsatz der Kirchgemeinde, der gross auf der Website zu lesen ist: «Von Gott reden, der auf der Suche nach den Menschen ist, der in Jesus direkt auf uns zugeht und in der Kraft des Heiligen Geistes mit und durch uns wirkt.»

Christine Preis / S.F.