Bezirk
Annemarie Studer (l.) bei der Preisverleihung

Sozialpreis der Stadt Burgdorf für methodistische Pfarrerin

30. Oktober 2021

Annemarie Studer, pensionierte Pfarrerin der Methodistenkirche in der Schweiz, wurde mit dem Sozialpreis der Stadt Burgdorf geehrt. Ihr langjähriges Engagement für und mit Migrant:innen versteht sie auch als eine aktive und stille Form des Widerstands.

Am 28. Oktober verlieh die Stadt Burgdorf den 🔗Sozialpreis für das Jahr 2021. Nominiert waren acht Projekte und eine «weitere Nomination, die wir noch geheim halten», wie es in der 🔗Ankündigung zum Anlass hiess. Diese zunächst nicht öffentlich gemachte Nomination war die pensionierte methodistische Pfarrerin Annemarie Studer. Sie erhielt die Auszeichnung für ihr langjähriges Engagement für und mit Migrant:innen.

Den Sorgen «nachgehen»

Die pensionierte Pfarrerin ist unter anderem mit Deutschkursen in der Arbeit mit Migrant:innen engagiert. Bei diesen Kursen kämen dann auch die Nöte und Sorgen der Teilnehmer:innen zur Sprache. «Und dann gehe ich diesen Sorgen eben nach», sagt Annemarie Studer, als wäre dies die selbstverständlichste Sache der Welt. Also geht sie mit auf Ämter, macht Besuche oder hilft bei der Wohnungssuche. «Meistens ist das, was man tun kann, ja nur wenig», sagt sie.

Aushalten helfen

Dass sie so eng mit den Leuten unterwegs ist, lässt sie auch deutlich sehen, wie gross die Not bei den Migrant:innen in der Schweiz ist. Letztlich sei das alles mit der Asylpolitik der Schweiz verknüpft. «Die ist im Moment sehr ‹schiiter›», sagt Studer. «Da kann man oft nichts anderes tun, als helfen aushalten.» Das heisst: Deutschunterricht geben – oder ein Gesuch schreiben, etwa ein Gesuch auf Familiennachzug oder ein Härtefallgesuch.

Vollzeitjob

Wie viel Zeit sie investiert, kann sie gar nicht genau sagen. «Ich zähle das nicht mehr zusammen.» Vermutlich sei das schon ziemlich ein volles Pensum an Arbeit. Wobei sie als Pensionierte doch ein grosses Privileg habe: «Wenn es kräftemässig nicht geht, kann ich sagen: ‹Ich brauche jetzt eine Pause!›»

Fremde Länder erkunden

Aus der intensiven Zusammenarbeit mit den Migrant:innen sind auch Freundschaften erwachsen. Das sei ein ungeheurer Reichtum, erzählt Annemarie Studer. «Ich erhalte Einblicke in fremde Länder, die ich ja nie bereisen könnte – in meinem Alter ohnehin nicht mehr!» Eritrea, Äthiopien oder auch Afghanistan habe sie so ein wenig kennengelernt.

Feinheiten verstehen

Hin und wieder taucht sie sogar in die Kultur und die Lebensart dieser Länder ein. Sie lernt zum Beispiel die besondere Art des Humors kennen – und merkt, wie anders der funktioniert als in der Schweiz. «Und im Moment gibt es da noch keine Brücke, die das Verstehen ermöglicht!»

Eine riesige Überraschung

Die Preisverleihung war für Annemarie Studer ebenso eine Überraschung wie für die Öffentlichkeit. Nominiert hatte sie 🔗Annette Vogt, Migrationsbeauftragte der reformierten Landeskirche Burgdorf. Doch davon wusste Annemarie Studer nichts.

Am Anlass war sie dabei, weil auch zwei Projekte der 🔗Methodistenkirche in Burgdorf nominiert waren. Doch dann erhielt sie selbst den Preis. «Die ganze Feier war eine riesige Überraschung», sagt sie. «Von der Stadt wahrgenommen zu werden, das bin ich mir nicht gewohnt.»

Kirchlicher Auftrag – und Widerstand

Seit rund 10 Jahren engagiert sich die Pfarrerin in der Arbeit mit Migrant:innen. Damals sei für sie klar gewesen: Sich für Menschen einzusetzen, die fremd sind in unserem Land, ist kirchlicher Auftrag. «Wenn wir den nicht wahrnehmen, dann sind wir einfach nicht Kirche.»

Erst im Laufe der Zeit habe sie deutlicher auch die politischen Zusammenhänge wahrgenommen. Nach wie vor engagiere sie sich, weil sie der Überzeugung ist, dass dies der Auftrag der Kirche ist. «Aber», ergänzt sie,«heute das ist auch Widerstand. Stiller, aktiver Widerstand.»

S.F.
Beitragsbild: zVg

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Sozialpreis

Der 🔗Sozialpreis der Stadt Burgdorf wird alle zwei Jahre an eine Einzelperson, Vereine, Gruppen, Organisationen oder Unternehmen vergeben, die sich über längere Zeit freiwillig oder ehrenamtlich sozial engagieren. Ausgezeichnet werden Engagements zur Förderung der Integration von Personen die aus sozialen, psychischen oder gesundheitlichen Gründen in ihren Möglichkeiten eingeschränkt sind. Neben der persönlichen Anerkennung soll diese Auszeichnung auch die Bedeutsamkeit solch besonderer Leistungen und Aktivitäten hervorheben und würdigen. Das Preisgeld beträgt 8 000 Franken und kann auf mehrere Gewinner aufgeteilt werden.