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Bild: Dr. Jonathan Reinert

«Gebt ihnen Zeit zum Lesen!»

15. Dezember 2023

Am 13. Dezember hat Prof. Dr. Jonathan Reinert seine Antritts­vorlesung an der Theo­logischen Hoch­schule Reut­lingen, der Aus­bildungs­stätte der metho­distischen Kirche im deutsch­sprachigen Raum, gehalten.

«Lektüretipps und Kirchenreform – zur Praxisrelevanz des Quellenstudiums in der Kirchengeschichte» lautete der Titel der 🔗Antrittsvorlesung, die Reinert aufgrund des Umbaus der Hochschule nicht wie gewohnt in der Aula, sondern in der benachbarten Kreuzkirche gehalten hat. In einem spätmittelalterlich bis frühneuzeitlichen Tour d’Horizont zeigte der Kirchengeschichtler auf, dass die Lektüre älterer kirchlicher Texte nicht selten die Kirche nachhaltig auf den Kopf stellten – und darum gerade heute von dringender Notwendigkeit sind.

Reformen in der Kirche

Bezug nehmend auf den «Krisenmodus» und den «Reformalarm» fast aller grossen und grösseren Kirchen der Gegenwart, sagte Reinert, dass die Einschätzung, mit der Kirche der Gegenwart stimme etwas nicht, keine neue sei. Immer wieder hätten sich Menschen daran gemacht, die Kirche von innen heraus zu reformieren. Seine These veranschaulichte der Theologe durch einen Blick auf die Kirchengeschichte zwischen dem 14. und 18. Jahrhundert.

Inspirierende Bücher

Beginnend mit Gerard Zerbolt von Zutphen (*1367), einem Vertreter der 🔗Devotio Moderna, und Johannes Gerson (*1363), einem Vertreter der «Frömmigkeitstheologie» über Johannes von Staupitz, den Beichtvater und Lehrer Luthers, Luther selbst und Johann Arndt gelangte der Referent zum Pietisten Philipp Jakob Spener. Reinert stellte so eine ganze Reihe von Reformatoren und Reformern der Kirche und der christlichen Frömmigkeit dar, die immer wieder dieselben Schriften lasen und sich aufeinander bezogen. Kirchengeschichte, stellt Reinert fest, «ist nicht eine Abfolge von Einzelfiguren, sondern eine Vernetzung von Gedanken, Ideen und vor allem der Lektüre derjenigen Bücher, die über Jahrhunderte hinweg immer wieder inspirierend waren.»

Methodistische Bibliothek

Das zeigte sich auch bei John Wesley, dem Begründer des Methodismus, einer Bewegung, die sich selbst weniger als Kirchenreform verstand, sondern vielmehr als eine geistliche Lebensweise. Auch Wesley habe gelesen, was andere bedeutende Personen vor ihm lasen. Er schuf zudem eine christliche Bibliothek mit Ausgaben der Bücher, die Menschen in der Kirche geprägt haben und die er als besonders empfehlenswert weitergeben wollte.

Lesen!

Lesen, zur Lektüre empfehlen und intensiv studieren seien Traditions- und Tradierungsmerkmale von Veränderungsprozessen der Kirche. Wer also Neues sucht, sei, so Reinert, gut darin beraten, einmal zu lesen, was schon vorher gedacht, geglaubt und gelebt wurde. Er rief darum abschliessend auf: «Ihr Studierenden, nehmt euch Zeit zum Lesen! Ihr Dozierenden, gebt ihnen Zeit zum Lesen. Ihr Kirchen, lasst ihnen Zeit zum Lesen!»

Christoph Schluep / S.F.
Beitragsbild: Prof. Dr. Jonathan Reinert bei der Vorlesung n der Kreuzkirche in Reutlingen (D). (Foto: Christoph Schluep, TH Reutingen)

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Neue Professorin für das Alte Testament
Die Theologische Hochschule Reutlingen hat PD Dr. Kathrin Liess auf den Lehrstuhl für Altes Testament und Biblische Theologie berufen. Liess tritt die Nachfolge von Prof. Dr. Jörg Barthel an, der 2024 nach über 25 Jahren der Lehr- und Forschungstätigkeit an der THR in den Ruhestand tritt.

PD Dr. Kathrin Liess wird ab Oktober 2024 als Professorin für Altes Testament an der Theologischen Hochschule der Methodist:innen in Deutschland unterrichten.
(Foto: zVg, privat)
Nach ihrem Studium in Kiel und Heidelberg war Liess wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Tübingen. Dort wurde sie 2003 mit einer Arbeit zum Lebens- und Todesverständnis der Psalmen mit summa cum laude promoviert. Daneben absolvierte sie eine hochschuldidaktische Ausbildung und arbeitete als freie Mitarbeiterin am Zentrum für Hochschuldidaktik.
Sie forschte danach in einem interdisziplinären Forschungsprojekt der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. 2016 hat sie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität München ihre Habilitationsschrift abgeschlossen. Es folgten von 2016 bis 2023 Lehrstuhlvertretungen an den Universitäten Bochum, München, Rostock sowie an der Augustana Hochschule Neuendettelsau. Derzeit ist Liess Lehrbeauftragte an den Universitäten Münster, Bochum und Regensburg sowie Lehrerin im Fach Deutsch an einer Münchener Schule.
Dr. Kathrin Liess wird ihre Arbeit an der THR im Oktober 2024 aufnehmen.