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Bild: Pfarrerin Nicole Becher

Regenbogenkirche: Ein bunter Teil methodistischer Vielfalt

13. März 2024

Seit vier Jahren gibt es in der methodistischen Kirche in Wollishofen eine «Regenbogenkirche». Weshalb das einerseits eine «stinknormale» methodistische Kirchgemeinde und andererseits doch auch eine besondere Gemeinschaft ist, sagt Pfarrerin Nicole Becher. Und sie erklärt, weshalb die junge Gemeinschaft mit ihr bereits die dritte Pfarrerperson hat.

«Wir möchten Kirche sein unter dem Regenbogen als Zeichen der Begleitung Gottes und der Hoffnung Gottes», sagt Pfarrerin Nicole Becher. Der Regenbogen als Zeichen auch der queeren Community sei bewusst gewählt. «Wir wenden uns ganz klar an Menschen, die vor allem oder auch wegen ihrer geschlechtlichen Identität oder Orientierung in anderen Kirchen Ausgrenzungserfahrung gemacht haben.» Dennoch verstehe sich die Regenbogenkirche nicht als ausschliesslich queere Kirche. «Wir wollen eine offene Kirche für alle sein. Ganz nach unserem Motto ‹Gemeinschaft. Gott. Weite›.»

Eine bunte Gemeinschaft

Nicole Becher ist seit 2023 Pfarrerin der 🔗Regenbogenkirche. Ausserdem ist sie auch als Pfarrerin für die methodistische Kirche «Zürich Nord» zuständig. Die Regenbogenkirche ist ein Projekt der methodistischen Kirche in der Schweiz, zugleich jedoch auch ein Projekt der 🔗methodistischen Kirchgemeinden in Adliswil und Zürich Wollishofen. «Das ist spannend bei der Regenbogenkirche. Denn entstanden ist sie aus der Gemeinde heraus», sagt Nicole Becher.

Eingang zur Regenbogenkirche in Wollishofen. (Foto: zVg, privat)

Zu den Gottesdiensten und anderen Anlässen treffen sich daher Personen, die schon sehr lange in Wollishofen in die methodistische Kapelle gegangen sind, und solche, die aufgrund des Projektes gekommen sind. «Wir haben also eine 92-jährige Frau, die schon lange in die Wollishofer Gemeinde kommt, und wir haben eine Transfrau, die von ganz woanders kommt, aber bei uns eben als Transfrau in die Gemeinde kommen kann.» Bis zu 70 Kilometer Weg nehmen einzelne auf sich, um in der Regenbogenkirche anderen zu begegnen.

Ein ziemlich normales Programm

Die Gemeinschaft ist also bunt in jeder Hinsicht. Weniger aussergewöhnlich ist das Programm. «Der Schwerpunkt ist der Sonntagabend», sagt Nicole Becher. Um 18.30 Uhr findet dann jeweils in der Regenbogenkirche eine Veranstaltung statt. «Es sind fast immer Gottesdienste, unterschiedlicher Art, mal mit Band, mal mit Orgel, mal nach Taizé.»

Einmal im Monat gebe es ausserdem eine Mahlfeier am Mittag. «Das ist eine liturgische Feier mit einer Abendmahlfeier. Anschliessend gibt es ein Mittagessen.» Letzteres bewerben die Verantwortlichen jetzt auch im Quartier. «Dazu kommen unregelmässig weitere Anlässe: Lesungen, Konzerte und Themenabende, die ich zu christlichen Themen gestalte.»

Augenfällige Besonderheiten

Das alles habe viel Ähnlichkeit mit einer «stinknormalen» methodistischen Gemeinde, meint Nicole Becher. Das Besondere sei die Offenheit. «Du kannst zu uns kommen, wie du möchtest.» Das sei augenfällig im ganz wörtlichen Sinne: «Wenn Menschen dazu kommen, sehen sie das.»

Weniger augenfällig, dafür hörbar ist eine andere Besonderheit: «In unseren Gottesdiensten und Anlässen achten wir sehr auf gendergerechte Sprache.» Immer wieder fliesse explizit ein, dass hier in der Regenbogenkirche Menschen unterschiedlichster Orientierung und Identität willkommen seien, dass Gott das «Willkommen» nicht abhängig mache von irgendwelchen Vorbedingungen, dass Gott nicht männlich sei. «Also wir spielen auch mit den Pronomen.»

Kaum zu glauben

Viele queere Menschen hätten in Kirchen leider schon die Erfahrung gemacht, dass es hier für sie nur ein «willkommen, aber…» gebe – ganz besonders in der Seelsorge. «Erst neulich hat mir eine Person in einem Gespräch gesagt: ‹Wenn ich das nur über euch lese, fällt es mir schon schwer, das zu glauben›», erzählt Nicole Becher. «Die Leute selbst haben, wenn sie zu mir zur Seelsorge kommen, schon einen Riesenschritt gemacht. Wenn sie mich noch nicht kennen, haben viele dafür ihren ganzen Mut zusammengenommen.»

Keine zusätzlichen Lasten

Für Nicole Becher ist nicht zuletzt das ein wichtiger Grund, weshalb sie mit Herzblut in der Regenbogenkirche als Pfarrerin arbeitet. «In meinem Innersten verstehe ich diese Ausgrenzung nicht. Ich habe das noch nie verstanden!»

Es gebe so viele schmerzhafte Erfahrungen, auf die die meisten Menschen keinen Einfluss haben: Kriege, Naturkatastrophen, Erkrankungen. Beziehungen würden zerbrechen, obwohl beide Seiten es nur gut gemeint haben. «Wieso müssen wir auf diese vermutlich im Leben nicht vermeidbaren Schmerzen noch künstlich schmerzhafte Erfahrungen draufladen? Das verstehe ich nicht!» Darum setze sie sich hier ein.

Wie Leute dazukommen

Zu den Gottesdiensten in der Regenbogenkirche kommen zwischen 15 und 20 Personen. «Das ist noch zu wenig!» Oft finden Leute über persönliche Kontakte zur Gemeinschaft. Wichtig seien aber auch das 🔗Instagram-Profil und die 🔗Website.

«Zweimal hatte ich jetzt schon Kontakt mit Personen, die über eine Institution auf uns aufmerksam gemacht worden sind», erzählt Nicole Becher. Das finde sie spannend. Wie genau die Leute dort auf die Regenbogenkirche aufmerksam geworden seien, wisse sie aber nicht.

Am Anfang stand eine besondere Stärke

Das Projekt «Regenbogenkirche» war 2020 gestartet. Seit vielen Jahren hatte es davor bereits eine methodistische Kirchgemeinde in Wollishofen gegeben. Die war jedoch immer kleiner geworden und die Leute immer älter.

Die Verantwortlichen überlegten sich, ob diese Gemeinde eine besondere Stärke hat, die neu besonderes Gewicht erhalten sollte. «Da es in den Gemeinden in Wollishofen und Adliswil schon lange queere Menschen gab, die Teil der Gemeinde waren, gab es die Überlegung, daran anzuknüpfen.»

Start, Stop, Neustart

Kaum war das Projekt 2020 gestartet, kam Corona. Der Betrieb wurde wieder komplett lahmgelegt. Als dann endlich ein Neustart möglich war, zog der verantwortliche Pfarrer weg nach Deutschland, um dort als Professor an der methodistischen Ausbildungsstätte zu arbeiten. Sein Nachfolger blieb auch nur knapp ein Jahr. Er wurde vom methodistischen Bischof in die Kirchenleitung berufen.

Die Stelle wurde intern neu ausgeschrieben. Nicole Becher sah sie, bewarb sich darauf – und erhielt die Beauftragung dafür. Seit 2023 ist sie nun Pfarrerin der Regenbogenkirche. «Also es ist nicht so, dass ich in den vier Jahren bereits darum die dritte Pfarrperson bin, weil entweder die Pfarrpersonen hingeworfen hätten oder die Regenbogenkirche sich von ihnen getrennt!»

Ferne und nahe Zukunft

Doch wohin wird sich die Regenbogenkirche mit ihr als Pfarrerin entwickeln? – «Mein ganz grosser Traum wäre natürlich, dass es keine extra Regenbogenkirche mehr braucht», antwortet Nicole Becher. «Ich glaube aber nicht, dass ich das zu meinen Lebzeiten noch erleben werde.»

Und weniger grundsätzlich gedacht? – «Es wäre schön, wenn wir als Regenbogenkirche mit dazu beitragen können, dass die methodistische Kirche in ihrer Vielfalt wahrgenommen wird.» Denn in den Fragen zum Umgang mit der menschlichen Sexualität gibt es hier spannungsvoll unterschiedliche Positionen. «Wir sind Teil einer Kirche, in der Menschen verschiedene Antworten auf die gleichen Fragen finden.»

Nicht nur Schwarz-Weiss

Nicole Becher ist überzeugt, dass genau das, eine Kirche, in der es möglich ist, in solcher Unterschiedlichkeit miteinander unterwegs zu sein, auch für die Gesellschaft wichtig ist. «Neulich wurde ich von einem Reporter gefragt: ‹Brauchen Sie das jetzt als Kirche irgendwie, um weiter bestehen zu können?› – Nein, ich glaube, das braucht die Gesellschaft im Moment.»

Die Gesellschaft brauche ein Gegenüber, bei dem es nicht nur Schwarz-Weiss gebe. «Wir haben eine klare Botschaft. Dafür stehen wir ein. Doch wir sind und bleiben in Auseinandersetzung miteinander. – Das ist das Potenzial, was wir mit uns tragen.»

S.F.
Beitragsbild: Nicole Becher ist Pfarrerin der Regenbogenkirche (Foto: zVg, privat)

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