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Proteste gegen Rassimus

Dem eigenen Rassismus auf der Spur

19. Juni 2020

Die Demonstrationen gegen und Diskussionen um den Rassismus, die nach dem Tod des Afroamerikaners George Floyd in den USA begannen, finden weltweit ein Echo. Der Ausschuss «Kirche und Gesellschaft» der Methodist/innen in der Schweiz veröffentlicht in seinem Blog zwei Beiträge von Autoren, die dem eigenen Rassismus auf die Spur kommen wollen.

Der Bischofsrat der weltweiten Methodistenkirche hatte nach dem Tod von George Floyd in den USA alle Methodist/innen aufgerufen, sich mit «Stimmen, Texten, Füssen und Herzen» für die Überwindung des Rassismus einzusetzen.

In zwei Beiträgen auf seinem Blog hat der Ausschuss «Kirche und Gesellschaft» der Methodist/innen in der Schweiz diese Aufforderung aufgenommen. Pfarrer Philipp Kohli, der Mitglied des Ausschusses ist, und Pfarrer Christian Hagen fragen nach dem je eigenen Rassismus und wie dieser überwunden werden kann.

Kopfkino mit Folgen

«Rassismus ist kein landesspezifisches Problem», schreibt Philipp Kohli. Rassismus ereigne sich überall. «Rassistische Strukturen sind oft so versteckt und in unser Denken integriert, dass wir es kaum festzustellen vermögen.»

Bei sich selbst entdeckte Kohli während seines Theologiestudiums eine solche Struktur: In seiner Kindheit sei oft von den «armen Kindern in Afrika» gesprochen worden. «Das hat mich dazu geführt, auf beinahe alle Menschen mit farbiger Haut mitleidig herabzuschauen», schreibt Kohli. In seinem Kopf hätte sich so Bilder festgesetzt, «die mich als Mensch mit heller Haut in die Position des Stärkeren, Reicheren und deswegen in die Position des Wohl-Täters bringen».

Als «Gegenmittel» schlägt Kohli vor, dem Rat des Comedian, Sängers und Autors, Marius Jung zu folgen, der sagte: «Wenn ihr mich irgendwo seht, lernt mich kennen … und wenn ihr mich dann kennengelernt habt und Sch[…] findet, ist das überhaupt kein Problem. Aber bitte beurteilt keinen Menschen nach seiner Hautfarbe».

Geschützter Rahmen für Begegnungen

Für Pfarrer Christian Hagen, der in einem Gastbeitrag auf dem Blog des Ausschusses zu Wort kommt, liegt gerade hier die Stärke der christlichen Gemeinschaften. Er erzählt ein Beispiel aus seiner eigenen Erfahrung von der Begegnung zwischen einem älteren weissen Mann und einer dunkelhäutigen Frau in einer Kirchgemeinde. Eine Chance sieht Hagen vor allem darin, dass christliche Gemeinschaften solche Begegnungen ermöglichen können, die sonst nicht stattfinden.

Zugleich finden solche Begegnungen hier aus Hagens Sicht in einem geschützten Rahmen statt: «Hier konnte er der Frau begegnen und trotz aller Unbeholfenheit sein eigenes Nicht-Verstehen und Nicht-Kennen ausdrücken und vor allem: etwas lernen», schreibt er im Blick auf die von ihm erzählte Begebenheit.

Ablehnung, so Hagen, entstamme «nicht immer aus Hass oder offenkundigem Rassismus – manchmal sind die Menschen einfach nur unwissend und ängstlich». Klar ist für Hagen freilich auch: «In der christlichen Gemeinde ist kein Platz für Rassismus. Überhaupt kein Platz!» Das unterstreicht er mit Verweis auf zahlreiche biblische Stellen.

Rassismus verleugnet den biblischen Gott

Grundsätzlicher als die beiden methodistischen Autoren hat sich die katholische Theologin Regina Polak zur Sache geäussert. Auf dem Blog des Instituts für Praktische Theologie der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien beleuchtet sie theologische, politische, historische und gesellschaftlich Aspekte des Rassismus.

Rassismus leugne «jenen Gott, den die Bibel bezeugt» schreibt die Theologieprofessorin, «… weil er den Ursprung jedes einzelnen Menschen und der ganzen Menschheit in Gott negiert und damit die Gleichheit aller Menschen ebenso ablehnt wie den Einsatz für eine gerechte Gesellschaftsordnung.» Sie zeigt die Wurzeln des Rassismus in den Bestrebungen seit der Aufklärung, «die Vorherrschaft der Weißen ‹wissenschaftlich›» zu bewiesen. Rassismus sei «im 19. Jahrhundert eine international hochrenommierte und -dotierte Wissenschaft» gewesen.

Struktureller Rassismus

Polak beschreibt, wie sich «(n)ach den Zivilisationsbrüchen des 20. Jahrhunderts» das geistige und politische Erbe des Rassismus gewandelt hat hin zu einer «gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit». Im Kern werde dabei die Überzeugung vertreten, «dass es Menschen gibt, die ökonomisch wertvoll sind, und solche die wertlos sind.» Diese Unterscheidung legitimiere die Schlechterbehandlung oder Ausgrenzung derer, die als wertlos eingestuft werden. Das sei «struktureller Rassismus, nicht mehr auf biologischer, sondern auf ökonomischer Grundlage.»

Wer Rassismus bekämpfen wolle, «muss sich der Selbstkritik stellen und seinen Ort in der gesellschaftlichen Ordnung wahrnehmen und reflektieren» ist Polak überzeugt. Wie das aussehen könnte, zeigt der letzte Abschnitt ihres Beitrags, in dem sie Stellungnahmen der katholischen Kirche aufnimmt – und Fragen stellt, die sich ihres Erachtens daraus an die kirchliche Praxis ergeben.

S.F.
Beitragsbild: UnratedStudio, pixabay.com

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Quellen

Blog des Ausschusses «Kirche und Gesellschaft»

Blog von Pfarrer Christian Hagen

Blogbeitrag von Regina Polak